Alexander Graf Lambsdorff ist Botschafter in Moskau. Er muss in Kriegszeiten den Kontakt zu einem Land pflegen, dessen Regierung Deutschland am liebsten beschimpft
Neulich hatte Alexander Graf Lambsdorff eine denkwürdige Begegnung. Eine von der Art, an die man sich für den Rest des Lebens erinnert. Lambsdorff hatte gerade eine Stunde lang ein altes, imposantes Gebäude in Moskau besichtigt. Am Ende flüsterte die Frau, die ihn geführt hatte, ihm zu: „Danke, Deutschland.“
Lambsdorff war verwirrt. Für gewöhnlich bekommt er fast täglich zu hören, wie niederträchtig sich Deutschland verhalte. Für was sie sich bedanke, fragte er die Frau. Die Russin antwortete mit Tränen in den Augen: „Dafür, dass Ihr Land all diejenigen aufnimmt, die in meinem Land keine Zukunft mehr sehen.“ Da habe er „einen Kloß im Hals gehabt“, sagt Lambsdorff heute. Aber er wusste in diesem Moment auch, warum er seinen Job so gern macht. Weil Russland nicht nur aus einem Despoten und seinen Fans besteht. Sondern auch aus Menschen wie dieser Frau.
An einem trüben Wintertag sitzt Alexander Graf Lambsdorff in einem Berliner Restaurant. Heimatbesuch. Seit August letzten Jahres ist der frühere FDP-Politiker Botschafter in Moskau. Er hat einen der wichtigsten und wohl den schwierigsten Job, den es derzeit in der deutschen Diplomatie gibt: Er muss die Beziehungen zu einem Land pflegen, dessen Präsident mit dem Angriff auf die Ukraine den Krieg nach Europa zurückgebracht und damit auch Deutschland in die Krise gestürzt hat. Zu einem Land, das einst die Nähe Deutschlands suchte und heute den Botschafter regelmäßig beschimpfen lässt.
Kann er das, dieser Lambsdorff, der als Politiker für seine unverblümte Art bekannt war? Der noch 2020 mit Blick auf Russland forderte, bei Menschenrechtsverletzungen persönliche Sanktionen gegen russische Regierungsvertreter zu verhängen? Und der jetzt nicht vor Putin einknicken darf und trotzdem einen diplomatischen Draht zu ihm entwickeln muss?
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