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Viele internationale Organisationen warnen seit Jahren vor aufkommender Wasserknappheit: Studien von Umweltexperten der Vereinten Nationen und der Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) gehen davon aus, dass uns im Jahr 2050 nur noch circa 30 Prozent des aktuellen Wasserverbrauchs zum Leben bleiben. Nur noch 30 Prozent in circa 30 Jahren! In meinem Studium Modejournalismus und Medienkommunikation, beschäftigen wir uns immer wieder intensiv mit dem Thema Nachhaltigkeit. Nach der Vorlesung, in der mir diese erschreckenden Zahlen an den Kopf geworfen wurden, wusste ich: Es muss sich etwas ändern.
Der Deutsche konsumiert pro Tag im Schnitt circa 125 Liter sauberes Trinkwasser – duschen, spülen, mal eben schnell Hände waschen oder eine Maschine schmutzige Kleidung anschmeißen. Alltägliche Dinge, über die sich kaum jemand Gedanken macht, die aber einen riesigen Einfluss auf unsere Umwelt haben. Ich will es wissen: Schaffe ich es, mit weniger Wasser auszukommen? Noch habe ich eher Bedenken. Die Motivation, etwas zu verändern und der schreckliche Gedanke daran, dass wir alle eines Tages dazu gezwungen sein könnten, diesen Selbstversuch als Dauerzustand akzeptieren zu müssen, treibt mich an.
Nur 37 statt 60 Liter Wasser am Tag? Tschüss, Dusche!
Mein Handy-Taschenrechner läuft auf Hochtouren, als ich versuche, mir einen H2O-Sparplan für die Woche zu errechnen. Mal ehrlich, wie soll ich es schaffen, mit nur 37,5 Litern Wasser pro Tag auskommen, wenn schon fünf Minuten Duschen 60 Liter verbraucht?
Hygiene ist mir sehr wichtig, und ich zähle zu den Personen, die sich eher zu viel, als zu wenig der Körperpflege widmen – Luxusprobleme. Um sicher zu gehen, dass ich mich innerhalb der sieben Tage nicht vor mir selbst ekeln muss, ziehe ich von Anfang an drei mal zwei Minuten duschen (zwei Minuten entsprechen 24 Liter Wasser) von meiner Wochenration ab. Um alles zu bedenken, googel ich, wieviel H2O ich pro Alltagssituation verschwende. Dabei helfen mir Seiten wie „hausjournal.net“ oder „4qua.de“. Der Selbstversuch startet – 27,2 Liter Wasser verteilt auf 24 Stunden, mehr nicht!
Tag 1: Herausforderung Toilettenspülung
Natürlich habe ich mich am Abend zuvor nochmal ausgiebig geduscht und sowohl die Waschmaschine als auch den Geschirrspüler noch ein letztes Mal angemacht – denn eines ist klar: Der Gebrauch dieser beiden Luxusprodukte würde den Rahmen sprengen.
Nichtsdestotrotz starte ich guter Dinge und mit einem absoluten Frische-Gefühl in das Experiment. So wie jeden Morgen, wenn der Wecker für die Uni klingelt, stolpere ich mit noch halbgeschlossenen Augen ins Bad, um die Toilette benutzen. Richtig gelesen: Meine Blase zwingt mich dazu, innerhalb der ersten Minuten schon sechs Liter Wasser meiner Tagesration, im wahrsten Sinne des Wortes, das Klo herunterzuspülen. Nach der ersten Panik und dem Bewusstsein, dass die Menge an Wasser vorne und hinten nicht reichen wird, versuche ich mich wieder zu beruhigen und stelle mir bildlich vor, wie ich mitten in Hamburg nach einem ruhigen Örtchen in der Natur suche.
Tag 2: Durchlüften statt Duschen
Zum Glück ist es am ersten Tag doch nicht so weit gekommen, dass eine grüne Toilette der letzte Ausweg gewesen wäre. Dennoch fühlt es sich mittlerweile ein bisschen an wie Camping. Mit leicht fettigen Haaren, einer Katzenwäsche mit dem Waschlappen, viel Deo und Parfüm wage ich mich in die Öffentlichkeit. Was muss, das muss – mein Nebenjob in der Gastronomie wartet und ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, dass man sich nach einer Sechs-Stunden-Schicht inklusive Essensgeruch und Stressschweiß nicht eklig fühlen würde. Am liebsten wäre es mir, die Nacht draußen zu verbringen, um einmal ordentlich durchzulüften. Selten habe ich mir so sehnlich eine Dusche gewünscht wie an diesem Abend. Aber meine Vernunft überwiegt. Ich weiß, ich muss am nächsten Morgen wieder arbeiten, und schon am zweiten Tag die ersten kostbaren Minuten den Abfluss runter zu spülen, kommt nicht in Frage! Es ist schon schwer genug, sich so selten die Hände zu waschen oder die kleinen Soßenflecken auf der Küchenzeile zu ignorieren, nur damit ich den Lappen nicht nass machen muss.
Tag 3: Vom Daten und Scheitern
Ich verzichte seit dem ersten Tag auf meine Lieblingsgetränke, wie Kaffee, Cola Zero oder Mate, um nicht zu viel aufs Klo zu müssen – was natürlich nicht gerade Gesundheits-fördernd ist. Dennoch ist es mittlerweile ein paar Mal vorgekommen, dass ich auf öffentlichen Toiletten nicht gespült habe, um meinen Wasserverbrauch einzuhalten. Unangenehme Situation: Eine Frau betritt nach mir die Kabine und ich habe nicht gespült. Kann ich bitte im Erdboden versinken? Gleichzeitig geht mir durch den Kopf: Würde ich an ihrer Stelle jetzt spülen, bevor ich die Toilette benutze? Dann hätte ich zwar mein persönliches Wasserkonto erleichtert, aber die Spülung würde trotzdem zweimal betätigt werden.
Doch das soll nicht die einzige missliche Situation an diesem Tag bleiben. Abends habe ich ein Date, dem ich zwar von meinem Selbstversuch erzählt habe, ihn diesen aber natürlich nicht spüren lassen möchte. Wir sind bei mir und meine nervige Blase meldet sich schon wieder zu Wort. Keine drei Liter Wasser stehen mir noch zur Verfügung. Die Klospülung braucht sechs Liter. Ich sage mir, dass die Natur stärker ist als ich, gehe aufs Klo und spüle. Die Scham und mein Harndrang haben es geschafft, dass ich nach zwei erfolgreichen Tagen zum ersten Mal scheitere und über mein Ziel hinausschieße.
Tag 4: Haut und Haare sind besser
Die erste Dusche steht an – das Gefühl von Camping bleibt. Es ist Montagmorgen und die kältesten, hektischsten zwei Minuten meines Lebens sorgen für richtig schlechte Laune. Mein ganzer Körper zittert, ich föhne ihn warm und meine Haare trocken. Zugegeben: beim Blick in den Spiegel muss ich schmunzeln – die zwei Minuten haben gereicht, um mich wieder zum Leben zu erwecken. An diesem Morgen macht es mir besonders viel Spaß mich zu schminken. Fun Fact: Ich habe das Gefühl, das meine Haut durch das wenige Waschen wesentlich besser geworden ist. Weniger Unreinheiten und heute ausnahmsweise mal wieder frisch frisierte Haare – fühlt sich schon fast nach Glamping an.
Tag 5: Langsam wird’s anstrengend
Gewisse Dinge haben sich mittlerweile eingependelt: In der Uni mache ich den Toilettengang mit ein oder zwei Kommilitoninnen, sodass wir nur eine Spülung für mehrere Leute verbrauchen. Meine Hygiene habe ich viel schneller als erwartet an die Situation angepasst, dank Waschlappen und Trockenshampoo komme ich super zurecht. Es macht fast ein bisschen Spaß, die Kreativität anhand von neuen Frisuren an den fettigen Haaren auszulassen.
Aber die Euphorie ist leider nicht beständig. Es ist anstrengend, auf jeden Tropfen Wasser zu achten, und auch am fünften Tag kann ich den Verbrauch immer noch schlecht dosieren. Sogar so schlecht, dass keine Kapazitäten mehr da sind, um mir etwas zum Abendessen zu kochen. Zugegeben: ich habe die ganze Woche eher unterwegs gegessen, was die ganze Sache natürlich erleichtert hat. Frustriert, dass es nicht mal für Nudelwasser reicht, versuche ich meinen Hunger mit einem Müsliriegel zu sättigen.
Tag 6: Ein volles Wasserkonto
Der neue Tag mit aufgefülltem Wasserkonto fühlt sich fast an, wie der neue Monat mit aufgefülltem Geldkonto. Wie ein kleines Kind freue ich mich darauf, ein zweites Mal diese Woche zu duschen, die Trinkflasche aufzufüllen und das Wichtigste: ausnahmsweise mal einen Kaffee zu kochen. Doch nicht alles ist automatisch wie neu. Ich muss gezwungenermaßen schon wieder das gleiche Oberteil anziehen, weil Waschen sowohl per Hand, als auch per Maschine einfach nicht drin ist. „Du hast ja schon wieder den schwarzen Rolli an“, höre ich meine Freunde schon sagen. Dumm, ich weiß – es würde ihnen vermutlich nicht mal auffallen, aber mir ist es peinlich. Und außerdem: Was bringt es einem, frisch geduscht zu sein, wenn die Kleidung nach Schweiß riecht? Ich verliere die Lust am Experiment: Nur noch ein Tag, dann ist es geschafft.
Tag 7: Alles ist möglich
Mit dem Gedanken „Bald hat das Elend ein Ende“ – beginne ich den letzten Tag in der Gewalt meines angezogenen Wasserverbrauchs. Noch im Bett liegend, steigt mir der eklige, abgestandene Muff-Geruch der vollen, schmutzigen Spülmaschine in die Nase. Gemischt mit einer leichten Note Schweiß, fühle ich mich fast schon high, denn irgendeinen Effekt muss der Gestank ja haben. Da ich am Mittag nach Berlin fahre, erlaube ich mir frecherweise den Geschirrspüler anzustellen, obwohl das Experiment noch nicht vorbei ist. Ab dem Zeitpunkt ist alles losgelöster. Ich bin stolz darauf, wie ich den Selbstversuch größtenteils erfolgreich durchgezogen habe. Von meinen errechneten drei Mal duschen, habe ich nur zwei gebraucht. Das gibt mir ein bisschen das Gefühl, meine beiden kleinen Patzer wieder gut gemacht zu haben. Der bewusste Umgang mit Wasser hat mir gezeigt, dass es möglich ist, im Alltag einiges zu sparen. Es war zwar hart, nur 30 Prozent H2O zu verbrauchen, dennoch würde es keinem schaden, nur mit 70 Prozent des durchschnittlichen Verbrauchs zu leben.
Fazit: Heute für morgen verzichten
Mit diesem neuen Ansatz blicke ich in die Zukunft, denn eins ist klar: 2050 bin ich hoffentlich noch auf der Welt und somit eine Betroffene. Wir alle sollten vor dem Thema Nachhaltigkeit also nicht die Augen verschließen, sondern individuelle, mal kleinere, mal größere Abstriche in Kauf nehmen. Ich habe mir fest vorgenommen, mit Wasser sparsamer umzugehen. Also meine Frage an euch: Wieso heute im Überfluss leben, um in der gar nicht mal so fernen Zukunft unter den Folgen zu leiden?
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