Geschäfte mit Russland: Von wegen Gutmenschenschokolade: Wenn aus Ritter Sport „Ritter Mord“ wird

Geschäfte mit Russland Von wegen Gutmenschenschokolade: Wenn aus Ritter Sport „Ritter Mord“ wird

Mitarbeiterin von Ritter Sport hält Tafel Schokolade in den Händen

Trotz des Krieges in der Ukraine weigert sich Ritter Sport, sein Russland-Geschäft einzustellen

© Marijan Murat / Picture Alliance

Über dem deutschen Schokoladenkonzern Ritter Sport schlägt eine Welle der Empörung zusammen – wegen seiner Haltung zu Russland. Ein Lehrstück für andere Unternehmen.

Von Bernd Ziesemer

In den sozialen Medien tobt weltweit ein wahrer Shitstorm gegen Ritter Sport. Und die destruktive Kreativität der Kritiker kennt keine Grenzen: „Quadratisch. Praktisch. Blut.“, twitterte der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk. „Der Geschmack von Kriegsverbrechen“, „Ritter Mord“ oder noch drastischer „Putins Kacke“, legten andere Twitter-Nutzer nach. Der Auslöser der großen Erregung: Die Weigerung des deutschen Schokoladenkonzerns sein Russland-Geschäft einzustellen.

Die Welle der Empörung schlägt über einer Marke zusammen, die sich als besonders verantwortungsbewusst positioniert hat: „Richtig gut für die Natur“, „Richtig gut für Menschen“ und sogar „Richtig gut aus Überzeugung“, beschreibt der Konzern seinen Daseinszweck (neudeutsch auch Purpose genannt). In der Werbung und sogar bei der Produktentwicklung gibt sich Ritter Sport als Gutmenschenschokolade: Vorneweg mit Angeboten für Veganer, nachhaltig über die ganze Lieferkette, ein ganz soziales Unternehmen. Selbst die starre Haltung in der Russland-Frage garniert Ritter Sport mit einem Hauch von Verantwortung: für die armen Kakao-Bauern, die angeblich unter einem Rückzug besonders leiden müssten.

Ritter Sport als Lehrstück für andere Unternehmen

Gerade weil sich das Unternehmen in der Vergangenheit als Weltmeister in Sachen Nachhaltigkeit präsentierte, sind jetzt viele Menschen so besonders empört. Dass sich viele wichtige Konkurrenten genauso verhalten wie Ritter Sport, mindert den Grad der Kritik kein bisschen. Man könnte auch von enttäuschter Liebe reden, die jetzt in ziemlichen Hass von Konsumenten umschlägt. Denn alle spüren: Es geht auch bei Ritter Sport in der Russland-Frage nicht um irgendwelche hehren Prinzipien, sondern um Umsätze und Gewinne. Selbst das nachgeschobene Versprechen, alle Gewinne aus dem laufenden Russland-Geschäft an humanitäre Organisationen zu spenden, beruhigt die Kritiker nicht. Man kann solche Behauptungen im Ernst auch gar nicht kontrollieren.

Ritter Sport kann als Lehrstück für andere Unternehmen dienen: Wer sich selbst moralisch erhöht, fällt im Zweifel auch besonders tief. In den letzten fünf Jahren haben sich viele deutsche Konzerne mit Verve in die Purpose-Diskussion geworfen und als besondere Musterbeispiele von Nachhaltigkeit präsentiert. Die alte Devise aus den USA – „The business of business is business“ – gilt als völlig veraltet. Doch in der neuen Welt der großen Moral machen sich Unternehmen damit auch sehr viel leichter angreifbarer. Das gilt vor allem für Konzerne, die Endverbraucher als Kunden bedienen. Wer sich zum Beispiel als ökologisch vorbildlich preist, gilt als übler „Greenwasher“, wenn man ihn bei der Einleitung von Schmutzwasser in Flüsse und Seen erwischt.

Zu viele deutsche Konzerne betrachten ihre Purpose-Bekenntnisse immer noch als Teil ihres Marketings statt sie quer durch das gesamte Unternehmen auch wirklich umzusetzen. Oft kommen sie damit auch durch. Aber in einer Krise wie dem Ukraine-Krieg müssen sie wirklich Farbe bekennen. Und dann zeigt sich, was nur schöne Worte waren und was wirklich zur Substanz eines Unternehmens gehört.

Hinweis: Dieser Text erschien zuerst bei unserem Partner „Capital“.

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