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Als Ljudmila Pavlichenko heiratete, ging sie verliebt mit ihrem Mann auf die Jagd. Das junge Paar jagte Deutsche. „Die Flitterwochen hatten einen positiven Effekt auf meine Fähigkeiten“, schrieb Pavlichenko später beschwingt. „Die Kugeln schossen gut – sie eilten entlang ihrer vorgegebenen Flugbahn und schienen ihr Ziel wie aus eigenem Antrieb zu finden.“
Ljudmila Mikhailovna Pavlichenko ist eine Legende. Im Zweiten Weltkrieg erreichte die Scharfschützin 309 bestätigte Abschüsse – tatsächlich dürfte sie weit mehr Gegner getötet haben. Denn für jede Bestätigung benötigte sie einen Zeugen. Nun erscheinen ihre Erinnerungen in englischer Sprache (Lady Death: The Memoirs of Stalin’s Sniper (Greenhill Sniper Library) Hardcover – Mai 19, 2018 Ljudmila Pavlichenko (Autor), Martin Pegler (Autor)).
Deutsche machtlos gegen die junge Frau
Die junge Mutter dezimierte nicht nur normale deutsche Soldaten. Ihre Gefährlichkeit war den Deutschen bekannt, sie machten Jagd auf die Schützin und so lieferte sich Pavlichenko bei der Belagerung von Sewastopol einige der berühmtesten Scharfschützenduelle des Krieges. Ein Messen der Kräfte, das sie für sich entscheiden konnte. Innerhalb weniger Monate tötete Pavlichenko 36 Scharfschützen, die die „Todes-Lady“ aufhalten sollten. Als die Deutschen einen Sniper nach dem anderen verloren, versuchten sie, die Frau in Minenfallen zu locken oder mit Artillerieschlägen zu töten.
Liebe auf den ersten Blick
Anders als der berühmte finnische Scharfschütze Simo Häyhä und sowjetischen Kollegen wie Semen Nomokonov oder Wassili Saizew war Pavlichenko keine geborene Jägerin. Sie lernte die Waffe durch die kommunistische Jugendbewegung kennen.
Pavlichenko schildert den ersten Moment mit dem Gewehr wie eine Liebe auf den ersten Blick. „Ich empfand das kalte, kalte Metall des Laufes und des Abzugs als sehr angenehm“, schrieb sie. Nachdem sie sich kurz mit der Waffe vertraut gemacht hatte, durfte sie ihre ersten vier Schüsse auf ein Papierziel abgeben. Ljudmila Pavlichenko war ein Naturtalent. „Für einen Anfänger ist das erstaunlich“, sagte der verblüffte Ausbilder. „Es ist klar, dass du fähig bist.“ Während des Studiums in Kiew verbesserte Ljudmila ihre Fähigkeiten und ging sogar auf eine Scharfschützenschule.
Mit Tricks in die Armee
Dennoch wollte die Armee die junge Frau bei Kriegsausbruch nicht aufnehmen. Pavlichenko war eine Schönheit. Sie sah aus wie ein Model, mit gepflegten Nägeln, modischer Kleidung und Frisur. Selbst ihr Scharfschützenabzeichen überzeugte die Beamten im Rekrutierungsbüro nicht. „Sie wollten keine Mädchen in die Armee aufnehmen, also musste ich auf alle möglichen Tricks zurückgreifen, um reinzukommen.“
Ihr erster Einsatz in der Nähe von Odessa war trotz ihres Talents nur ein halber Erfolg. Sie legte auf zwei Offiziere in etwa 380 Metern Entfernung an. „Ich traf das erste Ziel mit dem dritten Schuss und das zweite bei meinem vierten Versuch“, schrieb sie in ihren Erinnerungen. Das war nicht perfekt, doch am nächsten Tag kehrte sie zurück und tötete zehn Gegner an der gleichen Stelle. In einem anderen Einsatz tötete sie 18 Mann an einem Tag. In nur 75 Tagen erreichte sie die Marke von 175 Gegnern. Pavlichenko erwies sie sich als Meister der Tarnung und unerreichte Schützin. Auf große Entfernungen schoss sie Deutsche von ihren fahrenden Panzern herunter. Als sie berühmter wurde, bekam sie auch ein Kommando über Männer. Sie erinnerte sich, als sie einer Einheit von Marine-Infanteristen als Kommandantin vorgestellt wurde. „Der Ausdruck der Überraschung wollte ihre Gesichter gar nicht verlassen.“
Anders als viele ihrer Scharfschützenkollegen war Pavlichenko keine Einzelgängerin, die lieber allein Wald saß, als unter Menschen zu gehen. Wenn sie nicht im Einsatz war, verwandelte sie sich in eine lebenslustige junge Frau. Ganz Kind der Sowjetunion war sie nicht schüchtern, ergriff die Initiative und flirtete auch mit rangniederen Soldaten. Alles Dinge, die man im Militär nicht gern sah, die man der Heldin aber durchgehen ließ.
Ihren Mann lernte Pavlichenko an der Front kennen, nach seinem Tod und einer eigenen, der dritten, Verwundung im Juni 1942 wurde sie von den Gefechten abgezogen und fortan nur zu Propagandazwecken eingesetzt. Ihre 309 Abschüsse erreichte sie in nur zehn Monaten.
Schock in den USA
Pavlichenko wurde sogar in die USA geschickt, um den Kampfeswillen der Verbündeten zu entfachen. Dort begann ihre Freundschaft mit der Gattin des US-Präsidenten, Eleanore Roosevelt. Die Begegnung mit den USA schockierte die Kriegsheldin und überzeugte Kommunistin. Während die Sowjet-Menschen um ihr Leben kämpften, schienen die USA sich im tiefen Frieden zu befinden. Reporter fragten Pavlichenko nach der Farbe ihrer Unterwäsche. Pavlichenko hingegen konnte nicht verstehen, dass gesunde Männer in Kriegszeiten für Klatschmagazine arbeiteten. Männer, die nichts über den Krieg wissen wollten, aber ihre grobe Kleidung kritisierten.
Pavlichenko hielt mit ihrer Meinung nicht zurück. Die Reporter seien Feiglinge, die sich viel zu lange „hinter meinem Rücken versteckt haben,“ sagte sie in Chicago. Sie wurden allen Ernstes gefragt, ob sie vor einem Gefecht Make-up auftragen würde. „Es gibt kein Gesetz dagegen, aber wer hat Zeit, daran zu denken, die Nase zu pudern, wenn draußen gekämpft wird?“ Dann machte ihr auch noch ein Multimillionär, den sie eben gerade kennengelernt hatte, einen Heiratsantrag. Noch absurder, dass sie die First Lady ermunterte, den Mann zu heiraten: „Du würdest einen Gentleman mit Geld heiraten, der in dich verliebt ist und dir ein glückliches Leben bis ans Ende deiner Tage garantieren würde.“
Kein Mitleid mit den Deutschen
Pavlichenko kehrte in die UdSSR zurück und bildete Scharfschützen aus. Insgesamt haben etwa 2000 Frauen als Scharfschützin in der Roten Armee gedient, etwa 500 von ihnen erlebten das Kriegsende. Nach dem Krieg arbeitete Pavlichenko als Dozentin und für die russische Marine. Mitleid für die getöteten Gegner empfand Pavlichenko nie, allzu sehr hatten sich die Untaten der Deutschen in ihr Gedächtnis eingeprägt. Aber Zeit ihres Lebens war sie ein Gegner der Jagd. Sie sagte: „Die Tiere des Waldes sind wehrlos und haben keine Chance gegenüber Menschen, die mit Schnellfeuergewehren bewaffnet sind. Die Jagd auf Tiere lehne ich ab.“
Der ukrainisch-russische Film „Kampf um Sewastopol“ zeigt ihr Leben. Der Streifen kommt ohne allzu viel Pathos aus, bietet ansprechende Action-Szenen, doch die Handlung außerhalb der Kämpfe wurde sehr betulich inszeniert. Er ist auf DVD in deutscher Sprache erhältlich.
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