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Mehr als 6000 Kunstrasenplätze gibt es laut Deutschem Fußball-Bund (DFB) hierzulande. Vor allem in jüngster Zeit wurden immer mehr der immergrünen Fußballplätze neu gebaut – oftmals als Ersatz für die unbeliebten und in die Jahre gekommenen Grand- oder Ascheplätze.
Die neuen, pflegeleichten Spielfelder sind oftmals der ganze Stolz von Vereinen – und den sehen nun viele in Gefahr. Der Hintergrund: Eine EU-Richtlinie soll ab 2022 den Einsatz von Gummigranulat verbieten, das auf den meisten Felder ausgebracht wird.
45 Tonnen Granulat pro Kunstrasenplatz
Neben vielen Vorteilen (besseres Sprung- und Rollverhalten des Balles, geringeres Verletzungsrisiko oder Schutz des eigentlichen Kunstrasens), haben die Kunststoffkügelchen einen großen Nachteil: Sie führen zur Umweltverschmutzung durch Mikroplastik. Daher soll mit der Verfüllung der Spielstätten mit dem Gummigranulat in drei Jahren Schluss sein, schließlich finden sich rund 40 Tonnen Kunststoffgranulat auf einem einzigen Fußballplatz. Etwa zwei Tonnen müssen jährlich neu aufgebracht werden. Verwehungen von Sportplätzen sind möglicherweise für rund fünf Prozent des freigesetzten Mikroplastiks in Deutschland verantwortlich, der Löwenanteil entfällt dabei auf Fußballplätze. So stellen es jedenfalls Berechnungen des Fraunhofer-Instituts dar.
Das möglicherweise kommende Verbot des Gummigranulats geht dennoch vielen zu schnell, Politik und Verbände haben sich eingeschaltet. Der für den Sport zuständige Bundesinnenminister Horst Seehofer möchte eine längere Übergangsfrist erreichen. Der CSU-Politiker sagte der „Welt am Sonntag“: „Als Sportminister werbe ich für einen vernünftigen Ausgleich zwischen Umweltschutz und den berechtigten Interessen des Sports.“ Er strebe eine sechsjährige Übergangsfrist an. „Viele Tausend Sportanlagen in deutschen Kommunen wären sonst von der Schließung bedroht.“ Er habe bereits bei Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) für seinen Vorschlag geworben.
Auch der DFB und der Deutsche Olympische Sportbund schlossen sich der Forderung Seehofers an. „Beide Sportorganisationen sind sich bewusst, dass der Sport einen Beitrag leisten kann, um die Umweltverschmutzung durch (Mikro-)Plastik zu reduzieren“, erklärten die Verbände. Eine sechsjährige Übergangsfrist sei jedoch „notwendig, um die hohen Investitionen für die Sanierungen der (…) Kunststoffrasenspielfelder leisten und gleichzeitig den Sportbetrieb auf den betroffenen Sportanlagen aufrechterhalten zu können.“ Zunächst sei eine Bestandsaufnahme der in Deutschland vorhandenen Sportplätze durchzuführen, um den Handlungsbedarf einschätzen zu können.
Kork oder Sand als Alternative
Müssen die Vereine also bald zurück zu Grand und Asche? Eher nicht, denn es gibt Alternativen zum Gummieinstreu auf den Kunstrasenplätzen: Sand- oder Naturkorkgranulat zum Beispiel. Ein Austausch koste um die 50.000 Euro, je nach örtlicher Gegebenheit, erklärte Bauingenieur Dominic Heiler vom Unternehmen „Sportplatzbau Heiler“ auf stern-Anfrage. Die Bielefelder Firma ist unter anderem bei mehreren Fußball-Bundesligavereinen für das Grün zuständig. Kork sei etwa genauso teuer wie hochwertiges Gummigranulat. Die Austauscharbeiten dauerten etwa eine Woche und seien für Fachfirmen Routine. Kunstrasenplätze müssten ohnehin nach rund 15 Jahren komplett erneuert werden – in diesem Zusammenhang könnte auf ein anderes Granulat umgestiegen werden. Möglicherweise ist eine verlängerte Übergangsfrist eine Lösung.
Ob es für die mögliche Umstellung auf umweltfreundlichere Materialien finanzielle Unterstützung der öffentlichen Hand für die Vereine geben wird, ist offen. Viele Sportanlagen befinden sich ohnehin im Besitz der Kommunen. Heiler hat festgestellt, dass die Nachfrage nach Alternativen zu Gummigranulat auch ohne gesetzliche Notwendigkeit in jüngster Zeit deutlich angestiegen ist.
Die Warnung vor dem möglichen Aus für Kunstrasenplätze mit Mikroplastik wegen eines Verbots in der EU kommt aus Sicht des Bundesumweltministeriums zu früh. Die öffentliche Konsultation zu dem Thema läuft demnach ohnehin noch bis zum 20. September, darauf folgen weitere fachliche Prüfungen. Erst ein Jahr später sollen die Stellungnahmen der Experten vorliegen, die dann wieder kommentiert und nochmal überprüft werden, und schließlich an die EU-Kommission gehen. Wenn die Kommission einen Vorschlag mache, werde er von den Mitgliedsstaaten beraten.
Grundsätzlich betonte das Umweltministerium, Mikroplastik vermeiden zu wollen. Es habe aber auch „großes Interesse daran, dass Sportvereine ihren Spiel- und Trainingsbetrieb, insbesondere im Breiten- und Jugendsport, ohne Einschränkungen durchführen können.“ So entwickle man derzeit auch Empfehlungen für umweltfreundlichen Kunstrasen, an denen sich Kommunen und Vereine orientieren könnten. Eine Stilllegung bestehender Sportanlagen sei kein Thema, so der Sprecher des Ministeriums.
Quellen: DFB, „Welt am Sonntag“, Fraunhofer-Institut, Nachrichtenagenturen DPA und AFP
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