Inhaltsverzeichnis
In den Zeiten des Klimawandels jagt ein Hitzerekord den nächsten, die Pole und Gletscher schmelzen ab, das Wasser der Ozeane erwärmt sich – folglich wird auch der Meeresspiegel steigen. Flache Inselstaaten und tief liegende Küstenregionen drohen im Wasser zu versinken. Die Ozeane wachsen und die trockene Erdoberfläche schrumpft.
Das ist ein durchaus realistisches Szenario, das aber keineswegs eintreffen muss. Jedenfalls nicht überall. Den Kräften der Natur steht der Erfindungsreichtum des Menschen gegenüber. Schon seit dem 11. Jahrhundert machen die Niederlande vor, wie man dem Meer Land abgewinnen kann. Die Holländer hegen ihr Land traditionell mit Deichen und Sperrwerken ein.
Land kann man machen
Doch heute gibt es eine ganz andere Technik der Landgewinnung: Riesige Baggerschiffe schütten künstliche Flächen auf. Ganz neu ist das auch nicht, im Nahen Osten, in Monaco und in Japan wurden in den letzten Jahrzehnten Inseln in Küstennähe künstlich geschaffen, um Raum zu schaffen, der am Festland nicht mehr vorhanden war.
Doch in den letzten Jahren kommt ein neues Interesse hinzu: Die aufstrebende Supermacht hat das Baggerschiff als Mittel der Geopolitik erkannt. Und wie immer in China steckt ein großer Plan dahinter. Im Jahr 2001 bestand Chinas Baggerflotte nur aus ein paar alten Schiffen. Damals erklärte die Regierung das Ausbaggern zu einem besonders wichtigen Wachstumssektor, um die Seemacht Chinas zu stärken. Seitdem entwickeln und bauen die Chinesen Baggerschiffe wie kein anderes Land auf der Welt. In den letzten zehn Jahren wurden rund 200 Schiffe von wachsender Größe gebaut. Schon 2013 gehörte China die größte Seebaggerflotte der Welt. Und sie wird weiter wachsen. Weltweit investiert Peking in Infrastruktur und Hafenanlagen – gebaggert wird natürlich mit chinesischen Maschinen.
Inseln, wo vorher Riffe waren
Das Land befindet sich im immerwährenden Wirtschaftsboom, also wird in China mehr im Wasser gebaggert als in ganz Europa und dem Nahen Osten zusammen. Die meisten Bagger-Projekte sind international unproblematisch. Wer sollte sich beschweren, wenn zwei künstliche Inseln aufgeschüttet werden, die die gigantische Brücke abstützen, welche Hongkong mit Macau und dem chinesischen Festland verbindet.
Bei anderen Vorhaben sieht das ganz anders aus. Denn Peking schafft neue Inseln, wo vorher nur Riffe waren, die kaum aus dem Wasser hervorgelugt haben. Während Inselstaaten wie Tuvalu fürchten, beizeiten im Ozean zu verschwinden, stockt China seine Riffe massiv auf.
Dieses „Upgrade“ hat weitreichende Folgen. Sobald das Riff zur Insel wird, beansprucht Peking mit robusten Maßnahmen alle Hoheitsrechte einer „echten“ Insel – ohne jedes Wenn und Aber. Das führt zu einer ungeheuren Landnahme, wie es sie seit den Zeiten des Kolonialismus nicht mehr gegeben hat. Auf dem Wasser entsprechen die Baggerschiffe in etwa den Siedlertrecks in Planwagen, die im 19 Jahrhundert die „Frontier“ in den USA immer weiter nach Westen vorgeschoben haben.
Mag das einzelne Inselchen auch noch so klein sein, Peking beansprucht dann eine 12-Meilen-Zone im Seegebiet um das ganze Riff als eigenes Hoheitsgewässer. An diese Zone knüpft rechtlich ein weitaus größeres Gebiet als exklusive Wirtschaftszone an. So verleibt sich das Land riesige Gebiete ein.
Die USA fordern den Anspruch noch heraus
Rechtlich ist das Verfahren mehr als umstritten. Alle Anrainer wehren sich dagegen. Auf das Gebiet in der Südchinesischen See erheben viele Länder historische Ansprüche, so wie es auch China macht. Der Streit währte lang vor, doch erst die Arbeiter auf Baggerschiffe konfrontierten abstrakte juristische Argumente mit der Macht des Faktischen. Sie machen aus unbewohnten Felsspitzen dauerhaft bemannte Vorposten Pekings. Das geschieht in einem unglaublichen Tempo: In den Jahren 2013 und 2014 fügten die chinesischen Bagger den Spratly-Riffen innerhalb von nur 18 Monaten 1200 Hektar neues Land hinzu. Die kleinen Inseln werden in militärische Stützpunkte verwandelt. Den größeren wird die Rolle von unsinkbaren Flugzeugträgern und Raketenbasen zukommen.
Das bislang internationale Gewässer wird durch die Bagger zum rein chinesischen Gebiet. Die USA lassen regelmäßig B-52-Bomber über die Inseln fliegen und Zerstörer nahe an ihn vorbei fahren.
Doch davon ließ sich Peking nicht lange beeindrucken. Im September 2018 schnitt ein chinesischer Zerstörer mit Absicht den Kurs der USS Decatur, dabei wurde bewusst eine Kollision in Kauf genommen. Aus Sicht der USA nutzte die Decatur das Recht auf freie Passage, in chinesischer Lesart verletzte das US-Schiff die chinesischen Hoheitsrechte.
2018 kam es nicht zum Äußersten: Der Kapitän des US-Zerstörers gab in letzter Sekunde nach und bremste sein Schiff ab, in dem er Triebwerke rückwärtslaufen ließ. Nur etwa 40 Meter vor dem Bug der USS Decatur rauschte das chinesische Schiff vorbei.
In den nächsten Jahren wird sich zeigen, ob der Eroberungsstrategie mittels Bagger-Schiffen aufgeht. Peking ist offenbar bereit, den Einsatz im Kräftemessen mit den USA immer weiter zu erhöhen. Sollten die USA aus dem gefährlichen Pokerspiel aussteigen, wird kein anderes Land, den Anspruch Pekings ernsthaft gefährden können.
Lesen Sie auch:
– Chinas neuer Laser-Satellit soll zum „Todesstern“ für die U-Boote der USA werden
– Heißer als die Sonne – China-Reaktor erreicht Durchbruch in der Kernfusion
– Billigmode aus dem Netz – Schrott-Kleider aus China ruinieren den Abschlussball
– So fordert Chinas kleiner Flugzeugträger die USA heraus
– Chinas Einstein-Radar soll unsichtbare US-Jets abschießen
Posts aus derselben Kategorie:
- China stuft diplomatische Beziehungen zu Litauen wegen Streits über Taiwan herab
- Außenhandel: Chinas Exporte weiter unerwartet stark: Plus 18 Prozent
- Umstrittenes Projekt: «Seidenstraßen»-Gipfel beginnt in Peking
- Blinken wirft China Gefährdung der weltweiten Stabilität vor
- Verteidigungsministerium: USA schießen mutmaßlichen Spionageballon aus China ab