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Eigentlich wollte Sandra Maischberger in ihrer Sendung bei Politikern und JournalistInnen nachfragen, ob sich die Volksparteien überlebt haben. Aber irgendwie wurde man beim Zuschauen das Gefühl nicht los, dass es auch darum ging, den Kabarettisten und Neu-EU-Parlamentsabgeordneten Nico Semsrott vorzuführen.
Zugegeben, es ist irritierend, dass jemand von sich und seiner Partei „Die Partei“ sagt, es gäbe „keinen Regierungsanspruch und keine Lösung.“ Den Anspruch hätten sie nicht, immerhin handelt es sich um „eine Satirepartei.“ Die aber nun mit zwei Mandaten ins EU-Parlament einzieht. Und da sind Fragen nach der Ernsthaftigkeit schon erlaubt, denn es ist ja ein deutliches Zeichen, wenn statt verdienter PolitikerInnen nun Kabarettisten im Europaparlament über Europas Zukunft mitentscheiden können. Gerade auch vor dem Hintergrund, dass andere europäische Länder für ihr ganzes Land nur einen Sitz in Anspruch nehmen können.
Allerdings ist das bloße Vorführen von Gästen, die dann, wie im Fall von Nico Semrott, nicht mal ausreden dürfen, auch nicht die feine Moderatorinnenart.
Zu Gast bei „Maischberger“ waren:
- Marion von Haaren (Korrespondentin ARD-Hauptstadtstudio)
- Nico Semsrott (Kabarettist, „Die Partei“)
- Reiner Haseloff, CDU (Ministerpräsident Sachsen-Anhalt)
- Kevin Kühnert, SPD (Juso-Vorsitzender)
- Robin Alexander („Welt“-Journalist)
Kein Platz für AfD oder NPD
Während Semsrott seine Rolle als Satiriker ernst nahm und sich gegen Politiktalkshows im Allgemeinen aussprach, machte er klar: „Ich habe nur zugesagt, damit kein AfD– Politiker eingeladen wird.“ Ähnliches hatte vor einiger Zeit auch Parteikollege Martin Sonneborn im EU-Parlament gesagt, weil er einen Redebeitrag von Udo Voigt (NPD) verhindern wollte. Damals wurde Sonneborn von vielen gefeiert. Nun bricht eine zweite Legislaturperiode für „Die Partei“ an und mit verstärkter Kraft fehlt nach wie vor ein echtes Ziel. Sonneborn stimmte seinerzeit bei Anträgen abwechselnd mit „ja“ oder „nein“, Maischberger machte das in ihrer Sendung zum Thema. Wie Semsrott und Sonneborn ihr Abstimmverhalten zukünftig gestalten blieb offen.
Parteien für junge WählerInnen
Klar ist, „Die Partei“ wurde von vielen jungen Menschen gewählt. Maischberger selbst bezeichnete Semsrott mehrfach als „jungen Mann“, dabei ist der mit 33 Jahren älter als der ebenfalls anwesende Juso-Chef Kevin Kühnert. Und es ist ja nicht so, als hätte nicht ein Großteil der WählerInnen am Sonntag bei der Europawahl für die Grünen gestimmt. Und zwar in nahezu allen Altersgruppen.
Dennoch, das gaben Kühnert und Haseloff unumwunden zu: Die BürgerInnen sind von CDU und SPD (zu Recht) enttäuscht. Die Altparteien reden viel, aber statt Worten wollen die Menschen Taten sehen. So belehrte Kühnert dann auch CDU-Mann Haseloff, als dieser über den Kohleausstieg sprach, dass eben noch nichts wirklich getan wurde, außer zusammenzusitzen und zu reden.
Personalentscheidungen interessieren nicht
Für Kühnert ist die Tatenlosigkeit auch ein Grund dafür, dass die AfD in Sachsen und Brandenburg die meisten Stimmen bekam. „Das Laber-Rhababer will keiner mehr hören“, gab er sich einsichtig. Auf die Frage, ob das Wahlergebnis personelle Konsequenzen für SPD- Chefin Andrea Nahles haben wird, wurde der Jusos-Vorsitzende ungehalten. „Es interessiert mich einen Scheiß“, wütete er. Für ihn sei wichtig, dass der Inhalt stimmt, dass Politik gemacht und Ziele umgesetzt werden, statt einen Kopf zu bestimmen oder Personalentscheidungen zu treffen.
Robin Alexander witterte Kalkül hinter dieser Aussage, er unterstellte Kühnert, Nahles nur zu unterstützen, um im Dezember die große Koalition zu stürzen.
Weitere Themenpunkte:
- Das Youtube-Video von Rezo und die Frage, ob er inhaltlich besser gearbeitet hat als viele JournalistInnen in Deutschland
- Möchte Annegret Kramp-Karrenbauer die Meinungsfreiheit im Internet einschränken oder wurde sie nur falsch verstanden?
- „Die Partei“ sieht sich selbst als „Notlösung“, die Aufmerksamkeit schaffen will
- Semsrott bemängelte, dass es ein strukturelles Problem gebe, dass Wirtschaft und Politik eng miteinander verwoben sind. Alexander Robin widersprach dem vehement.
Semsrott und Kühnert arbeiteten sich bei „Maischberger“ an den „alten weißen Männern“ ab, die in der Politik nach wie vor das Sagen haben. Momentan weht ja der Wind der Erneuerungen durch die deutsche Politik, ganz so, als hätten die Verantwortlichen erkannt, dass sie umdenken müssen, um wählbar zu bleiben. Nur, ob den Worten eben wirklich Taten folgen, das bleibt offen.
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