ZDF-Nachrichtensendung: „Ich will versuchen, cool zu bleiben“: Claus Kleber über seinen Abschied vom „heute journal“

Claus Kleber moderiert am 30. Dezember zum letzten Mal das „heute journal“ im ZDF. Wen er gern noch interviewt hätte und woran er denkt, wenn er in die Kamera schaut, verriet der 66-Jährige im Interview.

Millionen ZDF-„heute journal“-Zuschauer müssen sich umgewöhnen: Moderator Claus Kleber hört einen Tag vor Silvester nach vielen Jahren auf. Im Interview der Deutschen Presse-Agentur erzählt der 66-Jährige, was er von früheren Interviews mit Olaf Scholz hält, warum er nie „Guten Abend, meine Damen und Herren“ sagen wollte und warum er bald einige zusätzliche Anzüge im Kleiderschrank hat.

Haben Sie Bammel vor der letzten Sendung?
Das klingt so final, „die letzte“! Ich will versuchen, cool zu bleiben, bringe das aber wahrscheinlich nicht hin. Bis heute habe ich es ganz gut geschafft, das Thema zu verdrängen. Aber irgendwann wird mir schon klar werden, dass dieses glückliche Kapitel meines Berufslebens und überhaupt meines Lebens zu Ende ist. Mit dem Moment muss ich dann fertig werden. Hoffentlich nicht, während die Kamera voll auf mich gerichtet ist.

Kommt jetzt eine Auszeit?
Ich werde mich erst mal über das riesige Geschenk freuen, das ich bekomme: Mehr als 160 Abende im Jahr, die plötzlich frei sind. Das ist schon eine heftige Zahl. Da will ich das Phänomen kennen lernen, von dem alle so viel reden – soziales Leben, Freundschaften –, solche Sachen werde ich ausprobieren.

Werden Sie weiter als Journalist arbeiten?
Ja. Was unbedingt weitergehen soll, sind die Dokumentationen, die mir von Anfang an am Herzen lagen. Weil ich die Welt kennenlernen durfte. Nicht wie ein Tourist, sondern wie ein Mensch, der in das alltägliche Leben eintaucht. Die Geschichten habe ich immer in den Kalender gezwängt, auch wenn ich überhaupt keine Zeit dafür hatte. Das wird hoffentlich anders, leichter.

Sind das dann Dokus für das ZDF?
Wenn das ZDF sie haben will, sicher. Über die Jahre sind die großen, unhandlichen Themen so eine Art Spezialität für meine Autoren-Kollegin Angela Andersen und mich geworden: Atombomben, Welternährung, Klimawandel, digitale Revolution, Menschenrechte. Geschichten, die in der ganzen Welt spielten. Immer sehr komplex. Vielleicht finden wir auch mal etwas anderes.

Werden Sie eigentlich auf der Straße angesprochen?
Ja, ständig. Auf der Straße oder in Geschäften ist das Thema jetzt immer, dass ich ja bald aufhöre mit dem „journal“. Das gibt jedes Mal einen Stich. Aber die Kommentare sind fast immer anerkennend und freundlich. Gelegentlich kommt auch Kritik, meistens konstruktiv und ernst zu nehmen. Das, was wir in den sogenannten „Sozialen Medien“ und auch in der Post finden, tönt oft anders.

Worauf führen Sie es zurück, dass es im Netz zum Teil harsche Kritik am öffentlich-rechtlichen Rundfunk gibt?
Wir sind halt privilegiert. Der Markt der Medien ist immer härter und der Wettbewerb aggressiver geworden. Wir sind immer noch ausgestattet mit genügend Geld und technischen Ressourcen, um unseren Job zu tun. Andere haben jeden Tag darum zu kämpfen. Auch die Medienjournalisten, die uns kritisch begleiten, erleben, wie ihre Redaktionen schrumpfen, ihre Möglichkeiten sich reduzieren, die Arbeitsbedingungen härter und ausgeruhte Stücke schwieriger werden. Dass wir da immer schärfer unter die Lupe genommen worden sind in den letzten Jahren, finde ich in Ordnung. Wir müssen diesen härteren Test aushalten.

Sind Politiker-Interviews schwieriger geworden?
Ich weiß nicht, ob schwieriger das richtige Wort ist. Es breitet sich halt dieser von sogenannten Medien-Beratern getriebene Ungeist des Fragen-nicht-Beantwortens und -Ausweichens immer mehr aus. Wahrscheinlich kriegen die inzwischen alle aus derselben Denkschule irgendwelche Schulungen, die ihnen einredet: Wenn Sie die Frage vermieden haben, haben Sie gewonnen. Das ist aber Quatsch. Die Zuschauer:innen merken das ganz genau und sind verstimmt. Es gibt aber auch Erneuerung. Jemand wie Robert Habeck zum Beispiel interessiert sich für die Fragen, die man stellt und er versucht darauf einzugehen. Er hat nicht immer eine wirklich überzeugende Antwort, aber er lässt sich auf das Gespräch ein. Nicht nur macht es mir als Journalisten mehr Freude, mit jemandem zu reden, der so tickt wie er. Auch den Zuschauern gefällt das besser, weil sie ihren Vertreter, den fragenden Journalisten, besser behandelt fühlen von diesem Politiker.

Wie waren Ihre Interviews mit Olaf Scholz, der jetzt Bundeskanzler ist?
Das ist einer, der die Frage kaum zur Kenntnis nimmt. Der wartet, bis der Interviewer aufhört zu reden und spult dann seinen Standard ab.

Wen wollten Sie schon immer einmal interviewen?
Ich hatte mich vergeblich um den Papst bemüht. Und Fidel Castro ist gestorben, bevor ich die Chance hatte.

Wären Sie insgeheim nicht doch gerne „Spiegel“-Chefredakteur geworden? Sie hatten damals den Job in letzter Sekunde abgesagt.
Ich habe die Gespräche mit dem „Spiegel“ schon sehr ernsthaft geführt und ich war zwei Zentimeter weg von der Unterschrift. Der Vertrag war fertig. Dann hat es mir das ZDF praktisch unmöglich gemacht zu gehen. Mit einem wirklich guten Angebot. Ich meine jetzt nicht mein Gehalt. Das war in drei Minuten erledigt. Angebot, angenommen, fertig. Es ging um die Zukunft des „heute journals“: Sendezeiten, Personal, Spielregeln. Das hat gepasst. Wir haben es, glaube ich, beide, das ZDF und ich, nicht bereut. Dabei hatte ich mich eigentlich schon für den „Spiegel“ entschieden.

Wenn Sie in die Kamera schauen und zu Millionen sprechen, was denken Sie?
An eines denke ich wirklich nie: Dass da hinter der Linse Millionen sind. Ich habe meine Co-Moderatorin Gundula Gause neben mir, drei Kameraleute, einen Aufnahmeleiter und einige Technik-Kolleginnen um mich herum. Im Grunde spreche ich in dem Moment mit denen, die mit mir im Raum sind. Deshalb habe ich auch nie „Guten Abend, meine Damen und Herren“ gesagt. Das würde ich bei Ihnen im Wohnzimmer auch nicht sagen. Ich sage, lieber: „Guten Abend, da ist was Interessantes passiert, heute, in Berlin.“ Das ist keine Nebensache. Das beeinflusst die eigene Haltung auch über die Begrüßung hinaus. Am Anfang gab es Post von Leuten, die mir vorgeworfen haben, dass ich noch nicht mal die Höflichkeit aufbrächte „Meine Damen und Herren“ zu sagen. Inzwischen haben sie sich beruhigt.

Beim Abspann des „heute journals“ sieht man immer, dass Sie mit Ihrem Co-Moderator oder Ihrer Co-Moderatorin sprechen. Reden Sie über die Sendung?
Meistens ja. Es ist auch schon vorgekommen, dass wir uns darüber amüsiert haben, noch im Schaufenster zu stehen, obwohl wir nichts mehr zu sagen haben: „So, jetzt werden sich wieder alle fragen, worüber wir sprechen.“ Meistens entlädt sich aber aufgestaute Spannung. Es sind ja vor jeder Sendung noch Dinge in der Luft. Manche Beiträge kommen erst rein, wenn die Sendung schon begonnen hat. Dann macht sich Erleichterung breit: „Mensch, das Stück aus München ist trotz allem richtig toll geworden“ oder: „Oh mein Gott, das Stück aus sowieso war doch genau so konfus, wie wir das befürchtet hatten.“ Wir und unsere Teams haben ja gerade einen ganzen Tag und Abend um eine halbe Stunde Programm gerungen. Und wir sind schon wieder dreiundzwanzigeinhalb Stunden von der nächsten Deadline entfernt. Darum geht es fast immer.

Was ist Ihr Ritual nach der Sendung?
Es gab früher die „Flurschelte“, als es im Haus noch Starkult um die Moderatoren gab. Die Mannschaft versammelte sich und Moderatoren brüllten los, was alles wieder für ein Scheiß passiert sei, der verhindert habe, dass sie noch mehr glänzen konnten als sowieso schon. So ungefähr wird mir das berichtet, aus den wilden alten Tagen. Inzwischen ist es eher eine „Flurstreichelei“. Wir trösten uns, wenn Sachen nicht geklappt haben. Wir sagen, was das nächste Mal besser sein muss. Aber es herrscht ein versöhnlicher Feierabend-Geist. Dann geht man nach Hause, trinkt noch ein Glas. In meinem Fall: Einen Schluck Single Malt Whisky, dazu ein Stück dunkelste Schokolade.

Was passiert mit der ZDF-Garderobe von Claus Kleber?
Ich darf die Anzüge, die das ZDF zur Verfügung gestellt hat, zu einem Ausverkaufspreis kaufen. Davon werde ich ein paar mitnehmen. Ich habe, glaube ich, seit vielen Jahren dieselben neun Anzüge. Die Hälfte wird reichen.

Wie ein Outlet-Besuch…
So etwa. Aber Second Hand. Da sind halt vertraute Sachen, die noch einigermaßen sitzen. Außerdem: Wer will die denn sonst?

Anna Ringle/DPA

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