Der Elektroauto-Hersteller Tesla wird seine europäische Fabrik im Umland von Berlin bauen. Das verkündete Tesla-Chef Elon Musk. Das Werk solle in der Nähe des geplanten Hauptstadtflughafens BER entstehen. Die „Gigafactory“ soll zunächst den künftigen Kompakt-SUV Model Y sowie auch Batterien und Antriebe bauen. Nach der Ankündigung herrschte Euphorie bei Politik und Wirtschaft. Tausende Arbeitsplätze sollen entstehen. Doch viele Fragen sind offen – besonders für die Hauptstadt. So kommentiert die Presse die Tesla-Pläne.
Pressestimmen zur geplanten Tesla-Fabrik in Berlin
„Lübecker Nachrichten“: „Musk, der sich gern als freier Radikaler des Unternehmertums inszeniert, hat bei seinen Projekten immer wieder im großen Stil von Staatsgeld profitiert. Damit stellt sich die Frage, ob es mit den braven Standortvorteilen Brandenburgs – Ökostrom, zentrale Lage – am Ende getan sein wird. Oder ob Musk gerade pokert: Gigantische öffentliche Erwartungen plus enger Zeitplan summieren sich zu hohem Druck auf die Politik, Tesla jeden echten oder vermeintlichen Stein aus dem Weg zu räumen.“
„Frankfurter Rundschau“: „Dass man ein solches Projekt voranbringt, wo es nur geht, steht außer Frage. Und das dürfen deutsche Behörden und Wirtschaftsförderer durchaus als Härtetest unter öffentlicher Beobachtung verstehen. Hier können sie beweisen, ob industrielle Großprojekte noch möglich sind. Das heißt aber nicht, dass man Musk und den hinter ihm stehenden Investoren ein hoch subventioniertes Sorglospaket schnüren sollte. Sie verstehen sich nicht umsonst als Risikoinvestoren – sie sollen ihr Tesla-Risiko auch selbst tragen. Zum Glück gibt es klare Regeln für Unternehmenshilfen, die den Wohltaten Grenzen setzen. Tesla, aber auch dem Rest der Branche, ist am besten geholfen, wenn sich E-Mobilität durchsetzt. Dafür ist Musks bejubelter Auftritt, so kurz und oberflächlich er auch war, von entscheidender Bedeutung. Denn wenn der aktuell größte E-Auto-Hersteller der Welt Milliarden in Europa investieren will, ist das ein Signal an alle, die noch zögern: Konkurrenten, Politiker, Kunden.“
„Rheinpfalz“ (Ludwigshafen): „Die Entscheidung (.) ist ein Gewinn für den Standort Deutschland. Ein Standort, an dem seit einiger Zeit kaum mehr was voranzugehen, zu funktionieren scheint. (.) Wenn jemand wie Elon Musk sich gleichwohl für diesen Standort entscheidet, hat das auch, aber nicht nur damit zu tun, dass Deutschland der größte nationale Absatzmarkt für Automobile in Europa ist. Zum Ja zu Deutschland beigetragen haben dürfte, dass die Bundesrepublik nach wie vor über hervorragende Facharbeiter und Ingenieure verfügt, dass der für jeden Automobilhersteller unverzichtbare Mittelstand hierzulande einzigartig ist, dass dieses Land – und das vergessen wir einheimischen Beobachter bei aller berechtigten Kritik allzu oft – nach wie vor über enorme Kapazitäten und Fähigkeiten verfügt. Wünschenswert wäre jedenfalls, dass das Bekenntnis Musks zu Deutschland die Deutschen selbst dazu animiert, wieder mehr an ihr Land und dessen Zukunft zu glauben.“
„Hannoversche Allgemeine Zeitung“: „Es kommt nicht so oft vor, dass sich Manager bei der Konkurrenz bedanken. Doch man darf es Volkswagen-Chef Herbert Diess abnehmen, dass er es ernst meinte, als er jüngst zu Tesla-Gründer Elon Musk sagte: „Ich danke Ihnen dafür, dass Sie uns antreiben.“ Nun könnte Musk, der einstige Branchenschreck, sogar noch zum Verbündeten bei einem Gemeinschaftsprojekt werden: Schon Teslas Ankündigung – mehr ist es noch nicht -, eine Fabrik für Elektroautos und Batterien vor den Toren Berlins zu bauen, bringt die Elektromobilität in Europa voran.“
„Rhein-Neckar-Zeitung“ (Heidelberg): „Dennoch verfügt der Amerikaner über eine Eigenschaft, die deutschen Unternehmern weitgehend fehlt: Er kann sogar die Konkurrenz elektrisieren. Und so bleibt trotz aller Skepsis, ob Brandenburg wirklich eines Tages eine topmoderne Autofabrik und einen Standort für den Batteriebau sein eigen nennen kann, die Zuversicht, dass die deutschen Autobauer endlich auf Trab gebracht werden. Woran die Bundesregierung scheiterte (eine Million Elektroautos bis 2020), was die Konzernchefs in einer Mischung aus Bräsigkeit und überzogenem Ingenieurdünkel ignorierten (Stromer gelten als sexy) könnte mittels der kalifornischen Lässigkeit doch noch Realität werden: Deutschlands Straßen geraten unter Strom.“
„Darmstädter Echo“: „Für die Ansiedlung in der Streusandbüchse Brandenburg und in der Boomtown an der Spree spricht vor allem, dass dort die Rohstoffe der Zukunft sind: eine vitale Start-up-Szene, viele Talente, Ingenieure, Forschungsinstitute und Hochschulen. Außerdem ist der Strommix je Einwohner so grün wie nirgendwo hierzulande. Das bringt Tesla näher ans Ziel einer CO2-freien Produktion und reduziert Kritik an Batterieautos. (.) Freilich ist Tesla bis heute ökonomisch ein Desaster und die Bundesrepublik ein teurer Standort. Ob die Rechnung aufgeht? Zunächst überwiegt die Vorfreude auf das, was kommt. Ein Paukenschlag dank Musk.“
„Nordwest-Zeitung“ (Oldenburg): „Ein bekanntes Sprichwort lautet: „Des einen Freud, des anderen Leid.“ Während in Berlin und Brandenburg die Sektkorken wegen der Entscheidung des Tesla-Chefs Elon Musk zur Ansiedelung einer Fabrik des E-Auto-Pioniers knallen, gucken andere in die Röhre. Positiv ist, dass sich Tesla für Deutschland entschieden hat und somit hierzulande Arbeitsplätze geschaffen werden. Definitiv ist die Ansiedlung Teslas in Brandenburg ein gutes Zeichen für Elektromobilität und dürfte die deutschen Autobauer eher motivieren, noch innovativer zu sein. Konkurrenz hat noch nie geschadet, sehr wohl aber, sich auf Lorbeeren auszuruhen. Und dem Konsumenten dürfte es egal sein, ob es sich um einen Tesla aus Brandenburg oder aus Silicon Valley handelt. Musk muss nun vor allem erstmal eines: seinen Worten Taten folgen lassen. Denn lange Bestelllisten reichen nicht, wenn die Produktion nicht hinterherkommt.“
„Hessische Niedersächsische Allgemeine“ (Kassel): „Schon 2016 hat Musk gezeigt, dass er deutsche Ingenieurskunst zu schätzen weiß: Damals kaufte er den Maschinenbauer Grohmann Engineering, ein Spezialist für automatisierte Produktionsanlagen. Effiziente Fabriken aufbauen, das können die Deutschen – Tesla hatte bislang einige Probleme damit. Hinzu kommt, dass durch den Wandel in der Autobranche frei werdende Fachkräfte eine gute Starthilfe für die deutsche Tesla-Produktion werden könnten. Für deutsche Autobauer bedeuten die Tesla-Pläne mehr Konkurrenz direkt vor der Haustür. VW & Co. werden sich strecken müssen, denn ein Tesla steht nicht nur für E-Mobilität, sondern auch für eine gute Portion Lifestyle. Doch steckt in dieser Herausforderung auch eine Chance für die heimischen Konzerne – Wettbewerb belebt das Geschäft und kann Innovationen antreiben, wie etwa beim dringend benötigten Ausbau dezentraler Ladeinfrastruktur.“
„Neue Osnabrücker Zeitung“: „Mit Blick auf die Nähe zum neuen Hauptstadtflughafen und auf das Image Berlins als trendige Metropole ist Teslas Entscheidung für Brandenburg als Standort für die neue europäische Gigafabrik nachvollziehbar. Allerdings liegen die großen Cluster der Automobilindustrie in Deutschland woanders: Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Bayern sind die Hotspots der Branche. In Berlin-Brandenburg ist ein Autobauer ein Exot. Es bleibt abzuwarten, ob sich Elon Musk mit der Standortwahl einen Gefallen getan hat. Ein Selbstläufer wird die Gigafabrik nicht. Die Ergebnisse des US-Autobauers waren zuletzt immer wieder volatil, die Kosten ein Problem. Vor diesem Hintergrund ist der Hochlohnstandort Deutschland für eine Neuansiedlung ein Wagnis.“
„Badische Zeitung“ (Freiburg): „Musk sticht mit seiner Entscheidung pro Bundesrepublik in das Herz seiner schärfsten Konkurrenten. Tesla-Modelle gehören zur gehobenen Preisklasse. Dort verdienen auch BMW, Audi und Mercedes ihr Geld. Entscheidend wird sein, ob der bisweilen ungestüme Musk mit der auf Konsens ausgerichteten Sozialpartnerschaft zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern zurechtkommt. Eine „Hire and Fire“-Mentalität stößt hierzulande auf keine Gegenliebe.“
„Märkische Oderzeitung“ (Frankfurt/Oder): „Elon Musk liebt den Wettbewerb. Und den will er nicht von Baden-Württemberg oder Niedersachsen aus führen, sondern in Brandenburg. Für das Land ist das ein Lichtblick an einem trüben Novembertag. Endlich mal wieder Aussicht auf eine richtige Großansiedlung. Es zeigt, dass Wirtschaftsförderer und Politiker gute Arbeit geleistet haben. Und dass freie, bebaubare Flächen inzwischen eine nicht zu unterschätzende Ressource sind. Musks Ankündigung, die international Schlagzeilen machte, ist eine Werbung für das Land.“
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