Rot-weiß – die Bayern-Fan-Kolumne: Die Meisterfeier legte das Problem des FC Bayern gnadenlos offen

Verbissen, grimmig, erleichtert: Wer nach dem denkbar knappen Titelgewinn Szenen des ungezügelten Jubels beim Stern des Südens erwartet hatte, wurde enttäuscht. Wieder einmal. In den letzten sechs Jahren hatten Gegner und Fans immer wieder die emotionslosen Titelgewinne der Münchener kritisiert. Die damaligen Erklärungen klangen stichhaltig, zu groß war der Abstand und zu eindeutig der Leistungsunterschied. Dieses Jahr jedoch war es anders, der BVB lieferte dem FCB einen harten Fight bis zum letzten Spieltag, doch die wahre Freude blieb aus.

Bayern-Spieler feiern vor allem sich selbst 

Klar, Robbery feierten einem tränenreichen Hollywood-Abschied, den auch die Prozenten Dan und Dave bei Game Of Thrones nicht klebriger hinbekommen hätten. Lewandowski holte die Torjägerkanone und schleppte den Individualaward lächelnd durch die Gegend und in jede Kamera. Rafinha zeigte sich ein letztes Mal als wertvoller, integrer Teamspieler, als er Goretzkas Entschuldigung, da dessen frühe Auswechselung seinen Einsatz verhindert hatte, sofort annahm. Trotzdem beschlich einen das Gefühl, als wäre hier nur ein Ventil geöffnet wurden, damit der Druck, der in Team und Verein die gesamte Saison über geherrscht haben musste, entweichen konnte.  

Co-Kapitän Thomas Müller, mit seiner Frau Kovac-Kritiker der ersten Stunde, verhehlte das nach dem Spiel am Mikrofon nicht: „Es ist sensationell gut. Die Situation am letzten Spieltag hier zu Hause… Franck kommt rein und macht ein Tor. Arjen kommt rein und macht ein Tor. Wir hatten so viel Stress und Ärger in diesem Jahr, wir sind von neun Punkten Rückstand zurückgekommen, mehr geht nicht!“ Stress und Ärger – und keiner erwähnte den Trainer. Nicht jeder muss ein Jupp oder Pep sein, auch Liebe braucht es nicht, doch hilft es heutzutage sehr, wenn die Führungskraft respektiert und gemocht wird. So fehlte auf dem Höhepunkt des Erfolgs irgendwie der Trainer als wichtigster Verbindungsmann zwischen Verein und  Mannschaft. 

Niko Kovac geht in die Offensive – alleine

Und Kovac selbst? Der bekam ein paar Mitleids-Weißbierduschen, wirkte aber ansonsten eben wie ein Fremdkörper in mitten des Jubels. Kovac hatte seinen großen Moment, als das Stadium ihn lautstark anfeuerte. Fans sollen ja ein feines Gespür haben, sagt man. Hier stimmte das. Nach dem Spiel zeigte er sichtlich erschöpft zuerst das bekannte Bild: Integer zum Verein. Dann jedoch ging er, gestärkt durch den Titel, geschickt und vollkommen zu Recht in die Offensive: „Ich habe im Hintergrund ein paar andere Informationen und bin überzeugt, dass es nächste Saison weitergeht. Sie können mir glauben, dass es Informationen aus erster Hand sind. Wenn man redet, hört man schon raus, in welche Richtung es geht. Ich glaube schon, dass ich das richtig interpretiert habe. Daher gehe ich davon aus, dass ich meinen Vertrag erfüllen werde.“ 

Bäm! Hier kämpft ein Trainer um seinen Job und seine Aufgabe. Seine Vorgesetzten eierten derweil weiter herum. „Gehen wir davon aus“, sagte zum Beispiel Sportdirektor Hasan Salihamidzic auf die Frage, ob Kovac weiterhin Trainer bleibt. Und Uli Hoeneß klang gar genervt: „Ich habe immer gesagt: Ich beteilige mich nicht an dieser Diskussion und das mache ich heute auch nicht. Von mir werden sie zu dem Thema nichts hören, weil ich der Meinung war und bin, dass das jetzt nicht der richtige Zeitpunkt ist, um darüber zu reden.“ Interpretiert man diese Aussage zwischen den Zeilen richtig, liegen Kalle und er in Sachen Niko Kovac weiterhin weit auseinander. Und das ist gefährlich für den Verein.

Bayerns Umbruch steht auf dem Spiel

Bis auf Hummels und Müller – Stand jetzt – werden alle Altstars oder unzufriedenen Spieler den Verein verlassen. Boateng, James, Ribery, Robben und Rafinha hinterlassen vor allem in der Teamhierarchie eine große Lücke. Eine noch wichtigere Entscheidung: Co-Trainer Peter Hermann wechselt nach Nürnberg. Wer soll die taktische Lücke im Stab schließen? Es ist also nicht nur sportlich immens wichtig, bald gezielt und koordiniert in die Kader- und Coachplanung für die nächsten Jahre zu gehen. Und wenn der Graben zwischen Kalle und Uli bereits jetzt kaum zu kitten ist, wie soll es erst werden, wenn Oliver Kahn 2020 dazu stößt? Wenn Niko Kovac Trainer bleibt und nach Weiterentwicklung seiner Fähigkeiten im Frühling nicht mit 20 Punkten Vorsprung und lockerem CL-Halbfinaleinzug alle Gegner in Grund und Boden spielt, was ist dann? Bayern-Fans können nur hoffen, dass Kalle, Uli und Brazzo ihre eigene Leistung genauso hinterfragen wie die des Meistertrainers. 

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