Rennen ums Weiße Haus: Während Trump vorprescht, wartet DeSantis geduldig ab – weil er es kann

Donald Trump nimmt erneut Anlauf auf das Weiße Haus. Ob er tatsächlich als Kandidat der Republikaner durchs Ziel gehen wird, ist offen. Im Windschatten des Ex-Präsidenten wartet Ron DeSantis jedenfalls geduldig auf seine Chance.

Einen Tag nach den Zwischenwahlen in den USA wurde Joe Biden gefragt, wer denn nun der härtere Knochen bei einem möglichen Showdown um das Weiße Haus für ihn sein könnte: Donald Trump oder Ron DeSantis? Bidens knappe Antwort: „Es wird Spaß machen, ihnen dabei zuzusehen, wie sie sich gegenseitig bekämpfen.“

Sieht so aus, als könnte er recht haben.

„Es gab viele, viele Enttäuschungen“, wird Ron DeSantis rund eine Woche später sagen. „Das ist einfach die Realität.“ Am Dienstag äußerte sich der wiedergewählte Gouverneur von Florida erstmals zu den Kongresswahlen, bei denen die Republikaner einen ganz großen Auftritt hinlegen wollten, aber schließlich eine „sehr enttäuschende Performance“ zeigten. So sieht es jedenfalls DeSantis.

Wer in seinen Augen der Showkrepierer war, machte schon der Zeitpunkt der unverblümten Wahlanalyse deutlich. Wenige Stunden später sollte Donald Trump seine erneute Kandidatur für das Weiße Haus bestätigen, die weithin erwartet wurde. Angesprochen auf die Absichten des früheren Präsidenten, prahlte DeSantis zunächst mit seiner eigenen Leistung – um dann eine vielsagende Spitze zu platzieren: Am Ende des Tages solle man sich einfach mal die Ergebnisse von letztem Dienstag ansehen. 

Und die fielen bekanntermaßen dürftig aus. Die Republikaner gelten als große Verlierer der Zwischenwahlen und lasten das enttäuschende Abschneiden auch Trump an, dessen handverlesenen Kandidaten für die Kongresswahlen vielerorts durchfielen. DeSantis hingegen versetzte seine Partei in Erstaunen. Er wurde mit einem satten Ergebnis im Amt als Gouverneur bestätigt, obwohl oder gerade weil er im Wahlkampf nicht auf die Unterstützung des früheren Präsidenten gebaut hatte.

Also: Donald Trump oder Ron DeSantis, wer wäre er der erfolgsversprechendere Kandidat der Republikaner? Darüber streiten sich die Gelehrten. Der Gouverneur von Florida wähnt das Momentum jedenfalls auf seiner Seite – und hat es im Gegensatz zu Trump offenbar nicht eilig, Fakten zu schaffen. 

Erstmal abwarten   

Zwar deutete derzeit alles darauf hin, dass auch DeSantis ins Rennen um die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner einsteigt, berichtet „Politico“ unter Berufung auf sein Umfeld, allerdings habe der Gouverneur noch keine endgültige Entscheidung getroffen. Trumps Kandidatur spiele dabei jedenfalls keine Rolle. 

Diese sei sogar „ziemlich irrelevant“, ließ sich ein Berater von DeSantis zitieren. „Er hat die Möglichkeit, die nächsten Monate zu regieren, während Trump versuchen muss, die Menschen davon zu überzeugen, dass er immer noch die Fähigkeiten dazu hat.“ Es sei „also fast so, als könnte er dabei zusehen, wie Trump sich selbst schlägt.“

Die Annahme: Trumps eiserner Griff um die Partei könnte nach dem glanzlosen Abschneiden der Republikaner bei den Zwischenwahlen nachlassen, haben offenbar immer mehr Wähler sein endloses Gerede über die angeblich gestohlene Präsidentschaftswahl 2020 und die ständigen Kontroversen um seine Person satt.

Noch würde der frühere Präsident als Favorit ins Rennen gehen, glaubt man einer aktuellen Umfrage von Morning Consult im Auftrag von „Politico“. Demnach unterstützten 47 Prozent der republikanischen Wähler Trump, würden heute die Vorwahlen der Republikaner um die Präsidentschaftskandidatur stattfinden. DeSantis hätte das Nachsehen, hinter dem sich nur 33 Prozent versammeln würden. 

Aber wird das so bleiben? Zumal eine Mehrheit unter allen befragten Wählern (53 Prozent) der Meinung sei, dass Trump definitiv nicht mehr kandidieren sollte – die Ablehnung wäre damit im Vergleich zu einer Erhebung vor den Zwischenwahlen (48 Prozent) nochmals gewachsen. Während DeSantis in der Wählergunst wiederholt zulegte (von 24 auf 26 Prozent). Eine YouGov-Umfrage, die „Axios“ nach der Zwischenwahl in Auftrag gegeben hat, sieht DeSantis sogar leicht vor Trump. 

Der „Trump mit Hirn“, wie der Rechtsausleger auch genannt wird, könnte dem Original also gefährlich werden. Das zeigte auch die Reaktion von ebendiesem, der DeSantis nach seinem historischen Wahlsieg mit „nicht besonders schmeichelhaften“ Enthüllungen drohte, sollte er für die Präsidentschaft kandidieren, ihn als „unehrlich“ bezeichnete, über einen Berater verbreiten ließ, dass er „bereit für Krieg“ sei und ihn einen spöttischen Spitznamen verpasste: „Ron DeSanctimonious“, der frömmlerische Ron.

Ron DeSantis, die „desinfizierte Version“ von Donald Trump

Für die „New York Post“ ist Floridas Gouverneur nur „DeFUTURE“. Am Tag nach der Wahl feierte das Boulevardblatt DeSantis als „Zukunft der Republikaner“ – und verspottete Trump als „Trumpty Dumpty“ in Anspielung an die eierähnliche Witzfigur aus „Alice im Wunderland“.

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Auch andere konservative Publikationen des Medienmoguls Rupert Murdoch, die einst den früheren Präsidenten bis zur Selbstaufgabe unterstützt hatten, wandten sich in bemerkenswerter Verachtung vom „größten Verlierer der Partei“ („Wall Street Journal“) ab und dem „neuen Anführer der Republikanischen Partei“ (Fox News) zu. Das wird möglicherweise so bleiben.

Berichten zufolge will das Medienimperium dem einstigen Günstling die Unterstützung entziehen. „Wir waren klar mit Donald“, zitierte der „Guardian“ eine namentlich nicht genannte Quelle aus dem Unternehmen. Demnach habe es Gespräche zwischen Murdoch und Trump gegeben, in denen der Medienmogul deutlich gemacht habe, „dass wir eine weitere Kandidatur für das Weiße Haus nicht unterstützen können.“

Lachlan Murdoch, der älteste Sohn von Rupert Murdoch und mutmaßliche Erbe seines Medienimperiums, sei der Quelle zufolge schon lange „scharf auf Ron DeSantis“, der innerhalb des Unternehmens „als eine desinfizierte Version von Donald angesehen“ werde.

Tatsächlich hat Trump allerhand Hypotheken angehäuft, die sich im Wahlkampf als toxisch für die Republikaner erweisen könnten. Zwei  Amtsenthebungsverfahren, der Sturm seiner Anhänger auf das Kapitol in Washington, laufende Gerichtsverfahren – im Vergleich dazu wirken die mauen Ergebnisse bei den Midterms kaum erwähnenswert. 

Der Strategieberater Stephen Lawson, der einst Kommunikationsdirektor bei DeSantis‘ erfolgreichem Gouverneurswahlkampf 2018 war, geht daher davon aus, dass der „normale durchschnitte Republikaner“ bereit sei, DeSantis statt Trump zu unterstützen. Obendrein würden Trumps Angriffe auf andere Republikaner – einschließlich DeSantis – dem früheren Präsidenten nichts nützen.

„Jede Entscheidung, die Trump trifft, lässt einen kleinen Teil seiner Basisunterstützung wegbrechen – und wenn eine beliebte Alternative in den Startlöchern wartet, beschleunigt das diesen Prozess“, sagte Lawson zu „Politico“.

Noch hält sich DeSantis bedeckt, ob er Trump die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner tatsächlich streitig machen möchte. Dass er sich zu höheren Würden berufen sieht, ist aber offensichtlich. Nachdem er am Dienstag das mittelschwere Zwischenwahldesaster wortreich analysiert hatte, erzählte er auch noch eine Erfolgsgeschichte – und zwar seine. 

Er glaube nicht, dass ein anderer Gouverneur in den vergangenen vier Jahren so hart kritisiert worden sei wie er, behauptete DeSantis. Aber das sei ohnehin nur „Lärm“. Führung, Verantwortung und Resultate seien das, was wirklich zählen würde. „Genau das haben wir getan“, meinte er und verwies auf die Wahlergebnisse. „Und so zeigt Florida meiner Meinung nach wirklich die Blaupause dessen, was man tun kann, um nicht nur zu gewinnen, sondern das gesamte politische Terrain wirklich grundlegend zu verändern.“ 

Es ist nicht zuletzt das Terrain, auf das auch Trump Anspruch erhebt. 

Quellen:  „The New York Times“, CNN„Politico“, „Axios“, „The Guardian“, „The Hill“

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