Klimapaket der Regierung : Prima Klima – aber nur für die Groko

Wenn in diesen Tagen so aufgeregt über das Klima geredet wird, fühle ich mich wie auf einer Zeitreise, und zwar in das Frühjahr 2003. Das Land lebte damals in aufgewühlter Stimmung, die Umfragen für die rot-grüne Regierung waren mies, die Wirtschaft lahmte, und alle rätselten, ob Gerhard Schröder seine Koalition wieder flottbekommen würde.

Ich arbeitete damals bei der „Süddeutschen Zeitung„, war ziemlich aufgeregt und lauschte an einem Märztag einer Rede des Kanzlers. Er stellt seine Reformen am Arbeitsmarkt vor, die heute landläufig als Hartz IV bezeichnet werden. Ein Kollege sagte: „Das bringt doch nichts, wir brauchen viel drastischere Pläne.“ Ein anderer meinte: „Die Vorhaben werden schon etwas ändern.“ Ich weiß nicht mehr, wie ich die Sache sah, aber ich glaube, ich fand einiges vernünftig.

Heute muss ich sagen: Wir haben alle die Folgen dieser Rede unterschätzt. Die Hartz-Reformen waren das, was viele Experten oft fordern, sie waren ein „großer Wurf“. Sie haben das Land verändert. Sie haben den Niedergang der SPD eingeleitet, sie haben Abstiegsängste geschürt, und sie haben sicher auch zum Wiederaufstieg Deutschlands beigetragen. Doch der Preis dafür war hoch.

Der Kompromiss ist der Schmierstoff der Demokratie

Ich bin seit dieser Zeit sehr skeptisch, wenn jemand einen „großen Wurf“ fordert, so wie jetzt viele Klima-Experten. Ein solcher Wurf überfordert viele Menschen. Die Folgen sind nicht vorhersehbar, so wie beim Fußball, wo ein Spieler einen Befreiungsschlag versucht, doch am Ende landet der Ball im eigenen Tor.

Eine Demokratie muss schrittweise vorangehen. Ihre Politiker können nichts anordnen, das können nur Diktatoren. Demokratische Politiker müssen überzeugen, zwischen verschiedenen Interessen und Gruppen vermitteln. Das ist ein Prozess, der unendlich zäh und langweilig ist, und viele enttäuscht. Das ist auch bei dem Klimapaket so.

Dass die Aktivisten von „Friday for Future“ mit den Regierungsplänen unzufrieden sind, ist klar. Und dass jene, die den Kampf gegen die Erderwärmung als übertrieben beurteilen, vieles für überzogen halten, ebenfalls. Doch beide Gruppen leben in einem Land und den Kompromiss zwischen ihnen zu finden, ist der Job der Politiker. Der Kompromiss ist der Schmierstoff der Demokratie.

Taugt nun der Schmierstoff?

Was gut ist: Mit dem Gesetzespaket endet nicht die Arbeit der Koalition. Ein unabhängiges Gremium soll die Gesetze überprüfen. Sind sie zu lasch, will die Regierung nachsteuern. Das klingt vernünftig, wenn denn Angela Merkel (CDU) und Olaf Scholz (SPD) auf die Experten auch hören.

Positiv finde ich, dass die Koalitionäre viel Geld in die Hand nehmen. Über 50 Milliarden Euro sind für die nächsten Jahre geplant, und ein Bündel von Vorhaben. Die Regierung will Bahnfahren verbilligen, Fliegen verteuern, den Einbau neuer Öl-Heizungen ab 2026 verbieten, die Kfz-Steuer ökologisch umbauen, für Busse und Bahnen mehr Geld ausgeben.

Doch eine Botschaft vermisse ich. Die Botschaft des Verzichts. Keiner hört sie gern. Die Menschen sind träge, ändern ungern ihren Lebenswandel. Natürlich kann der Staat vieles abfedern, doch ohne Verzicht wird die Klimawende nicht gelingen. Der Verkehr zeigt das. Seit dem Jahr 2000 verbrauchen die Autos wesentlich weniger Sprit. Sie sind aber auch größer geworden, haben mehr PS, und vor allem – es sind deutlich mehr geworden. Was also nützt es, wenn die Motoren sparsamer werden, wenn gleichzeitig mehr davon auf den Straßen herumfahren. Ohne einen Verzicht aufs Autofahren, glaube ich, wird eine Klimawende nicht gelingen.

Klimapolitik muss man sich auch leisten können

Doch an dieser Stelle ist die Koalition halbherzig. Sie führt zwar einen CO2-Preis ein, um so den Verbrauch einzudämmen und die Klimawende einzuleiten. Die Einnahmen daraus will sie auch an die Menschen zurückgeben, damit sie nicht überfordert werden. Doch der Einstiegspreis beim CO2 ist sehr niedrig, nur etwa ein Drittel so hoch wie viele Experten vorschlagen. Sprit wird sich nur wenig verteuern, zumal auch gleichzeitig noch die Pendlerpauschale steigt. Die Klimawende im Verkehr ist zu zaghaft.   

stern-Aktion zum Klima-Tag: Dafür lohnt es sich

Dass Merkel und Scholz vor Lasten für Pendler und Autoindustrie zurückschrecken, kann ich verstehen. Wer will schon, dass die Autofahrer auf die Barrikaden gehen; Gelbwesten-Proteste braucht Deutschland wirklich nicht. Geholfen ist dem Land auch nicht wenn ihre Vorzeigeindustrie, die Autobranche, abgewürgt wird. Klimapolitik muss man sich auch leisten können, und ohne Wirtschaftswachstum können die Politiker ihre Pläne nicht bezahlen. Und dennoch: Für eine echte Wende in der Verkehrspolitik sind die Pläne zum CO2-Preis eine Enttäuschung. Politik lebt auch von Symbolen, und an dieser Stelle sagt die Koalition: Wir fangen sehr, sehr langsam an.   

Auch sonst steckt der Kompromiss voller Absichtserklärungen. Dass die Koalition Bahn und Busse stärker fördern will, habe ich schon oft gehört. Geklappt hat es dann meist doch nicht. Dass sie die Hürden für den Ausbau der erneuerbaren Energien niederreißen will, hat sie ebenfalls häufig angekündigt. Doch dann fehlten die Taten. Entscheidend wird sein, wie sie ihre Versprechen umsetzen. Ich fürchte, da wird einiges auf der Strecke bleiben.  

Immerhin: Der heutige Tag zeigt auch: Die oft totgeglaubte große Koalition lebt. Union und SPD haben stundenlang um ein Ergebnis gerungen und eine akzeptable Lösung vorgelegt. Sie wollen tatsächlich noch regieren. Nur für das Klima in der Koalition ist der Klima-Kompromiss wirklich prima.  

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