EU-Spitzenkandidaten warnen bei Debatte vor Abkehr von Europa

Eine Woche vor der Europawahl haben im EU-Parlament sechs Spitzenkandidaten über die Zukunft der Europäischen Union diskutiert. Mehrere Politiker warnten dabei am Mittwochabend in Brüssel davor, sich bei der Wahl zu enthalten. „Wenn sie nicht wählen, wird jemand anderes ihre Stimme übernehmen“, sagte der Sozialdemokrat Frans Timmermans. „Wählen ist Macht“, sagte die Liberale Margrethe Vestager. „Gehen Sie wählen, sonst werden das andere Leute nutzen.“

Seit der ersten Wahl zum Europäischen Parlament im Jahr 1979 ging die Wahlbeteiligung EU-weit stetig zurück. Bei der letzten Wahl von 2014 lag sie nur noch bei 42,61 Prozent.

Der konservative Spitzenkandidat Manfred Weber (CSU) warb in der Debatte für Optimismus in Sachen Europa. Er wolle nach der Wahl eine EU-Kommission „eines Neuanfangs, einer neuen Ära“, die Europa näher an die Bürger bringe. In der Außenpolitik sprach er sich für eine Abschaffung des Einstimmigkeitsprinzip aus. Sonst könne Europa nicht schnell genug reagieren und seine Rolle in der Welt wahrnehmen.

Der in Spanien geborene und in Belgien lebende Linkspolitiker Nico Cué verteidigte ein soziales und solidarisches Europa. Einwanderung sei dabei auch „eine Chance“, sagte der Gewerkschafter. Es sei falsch zu sagen, „dass es eine Invasion in Europa“ gebe. Gleichzeitig brauche Europa aber eine wirksame Wirtschafts- und Sozialpolitik, die Arbeitslosigkeit bekämpfe und nicht ständig den Sparkurs verschärfe.

Die grüne Kandidatin Ska Keller sagte, sie wolle „ein anderes Europa“, das „unseren Planeten schützt“. Hier müssten die Europäer dringend gemeinsam handeln. Timmermans, der nach der Wahl eine „progressive Allianz“ gegen Webers Konservative schmieden will, bot den Grünen und den Linken an, in den nächsten fünf Jahren zusammenzuarbeiten und den Klimaschutz „an die höchste Stelle unsere Agenda“ zu setzen.

Deutlich weniger Europa forderte der Tscheche Jan Zahradil, der für die Allianz der Konservativen und Reformer in Europa (Akre) antritt. Europa sei „kein Staat“ und müsse „zurückgefahren“ und dezentralisiert werden. Er wolle aus Brüssel keine Bevormundung oder Belehrungen, sondern „ein neues Gleichgewicht zwischen nationaler Ebene und europäischer Ebene“.

Weber verteidigte nach der Debatte das Konzept, wonach nur einer der Spitzenkandidaten künftiger Kommissionspräsident werden soll. Auch Timmermans sagte, es gebe keinen Zweifel, dass seine Partei hinter dem Spitzenkandidaten-Modell stehe. Das Konzept wird von einem Teil der Staats- und Regierungschefs abgelehnt, die auf ihr Vorschlagsrecht für den Kandidaten für den Posten an der Spitze der EU-Kommission pochen.

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