
In der EU herrscht weiter Uneinigkeit über die Aufhebung von Einreiseverboten gegen Drittstaaten wegen der Corona-Pandemie. Wesentliche Kriterien für das Ende oder die Weiterführung der Beschränkungen ab dem 1. Juli seien unter den Mitgliedsländern noch umstritten, berichteten EU-Diplomaten am Freitag übereinstimmend. Sie erarbeiteten eine vorläufige Liste von Staaten, für die Einreiseerlaubnisse ausgesprochen werden sollen. Bis Samstagabend sollen sich die Regierungen der EU-Mitglieder dazu äußern.
Nach dem bisher diskutierten Hauptkriterium zur Zahl der neuen Infektionsfälle würden die Einreiseverbote für Länder wie die USA, Brasilien oder Russland weiter gelten, nicht aber für China. Gestritten wurde insbesondere über ein weiteres Kriterium zur Verlässlichkeit der Erfassung der Fallzahlen in den jeweiligen Drittstaaten. Einige Länder bezweifeln laut Diplomaten etwa, dass die Daten aus China verlässlich die wahre Corona-Situation in dem Land widerspiegeln.
Dies sei „eine der problematischsten Fragen“, sagte ein Diplomat eines osteuropäischen Landes. Es sei nicht möglich, die Beschränkungen für Länder aufzuheben, „die Daten zweifelhafter Qualität“ lieferten. Am Abend hieß es dann aber aus Diplomatenkreisen, eine Einreiseerlaubnis für Bürger aus China sei möglich, wenn Peking im Gegenzug auch den Bürgern aus den EU-Ländern die Einreise erlaube.
Hinzu kommen grundsätzlich unterschiedliche Haltungen, ob die Öffnung eher vorsichtig oder schon in möglichst großem Umfang erfolgen soll. Südliche Urlaubsländer wie Portugal und Griechenland wollten eine möglichst weitgehende Aufhebung, hieß es aus Diplomatenkreisen. Andere wie Dänemark seien dagegen für eine möglichst restriktive Linie.
Am Abend erfuhr die Nachrichtenagentur AFP aus Diplomatenkreisen, die Vertreter der EU-Länder hätten eine vorläufige Liste mit rund 18 Ländern erarbeitet, deren Bürger bald wieder in die EU einreisen könnten. Bis Samstag um 18.00 Uhr sollten die Regierungen der EU-Länder mitteilen, ob sie der Auswahl zustimmen. Die Liste könnte alle zwei Wochen aktualisiert werden, um auf das aktuelle Infektionsgeschehen zu reagieren.
Als Grundkriterium wird diskutiert, dass die Fallzahlen in einem Drittstaat für eine Aufhebung der Einreiseverbote mindestens so niedrig sein müssen wie in der EU. Ein internes Ratsdokument hatte diese Woche hierfür einen Wert von 16 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner für den Stichtag 15. Juni angegeben. Diese Zahl erfasst die Infektionen der vorangegangenen 14 Tage in der EU.
Die USA würden dieses Kriterium definitiv nicht erfüllen. Nach AFP-Berechnungen auf Grundlage der Daten der US-Seuchenbekämpfungsbehörde CDC läge der Wert für sie im selben Zeitraum bei 93 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner. Die Vereinigten Staaten sind in der Corona-Pandemie weltweit das am stärksten getroffene Land. Etwa 2,4 Millionen Menschen wurden bisher infiziert gemeldet, fast 122.000 Menschen starben.
Die EU-Kommission hatte vor zwei Wochen eine schrittweise und abgestimmte Öffnung gegenüber Nicht-EU-Ländern ab dem 1. Juli empfohlen. Letztlich kann darüber aber jede Regierung selbst entscheiden – selbst wenn sich die EU-Staaten auf eine Liste mit Drittländern einigen, für welche die Einreiseverbote aufgehoben werden können.
Die Regierung des besonders stark von der Corona-Pandemie betroffenen Mitgliedslands Spanien mahnte ein abgestimmtes Vorgehen an. „Wir wollen eine Einigung, um Gesundheitsrisiken zu vermeiden“, sagte Regierungssprecherin María Jésus Montero. Wenn ein Mitgliedsland Bürger aus Nicht-EU-Ländern hineinlasse, könnten die sich schließlich in der gesamten EU bewegen.
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