Debatte über generisches Maskulinum: Justizministerium ändert Gesetzentwurf: nun doch männliche statt weibliche Formulierungen

Debatte über generisches Maskulinum Justizministerium ändert Gesetzentwurf: nun doch männliche statt weibliche Formulierungen

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD)

Das Haus von Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) änderte den Text seines Gesetzentwurfes (Archivbild)

© Michael Sohn / AP / DPA

Ärzte, Politiker, Krankenpfleger – bei männlichen Bezeichnungen sind Frauen oft mitgemeint. Doch gilt das andersherum genauso? Da sind sich zwei Bundesministerien nicht einig.

Der vom Bundesjustizministerium zunächst mit weiblichen Endungen formulierte Entwurf für ein neues Insolvenzrecht liest sich wieder ziemlich männlich. In der Fassung, die am Mittwoch das Kabinett passierte, stehen wie bisher gebräuchlich vorwiegend männliche Bezeichnungen. Statt von „Geschäftsführerin“, „Verbraucherin“ und „Schuldnerin“ ist nun von „Geschäftsführer“, „Verbraucher“ und „Schuldner“ die Rede. Vereinzelt taucht noch das Wort „Gläubigerinnen“ auf. Das Justizministerium begründete die Änderungen mit dem Wunsch, die Reform wegen ihrer „hohen politischen Priorität“ zügig voranzubringen. In der Politik reichten die Reaktionen von Genugtuung bis Enttäuschung.

„Mitgemeint sein reicht eben nicht“

In einem Leitfaden für die Formulierung von Rechtsvorschriften ist eigentlich geregelt: „Herkömmlich wird die grammatisch maskuline Form verallgemeinernd verwendet (generisches Maskulinum).“ Wenn das Geschlecht für den jeweiligen Zusammenhang unwichtig sei, könne diese Vereinfachung gerechtfertigt sein. 

Das Innenministerium hatte deshalb Zweifel angemeldet, ob der ursprüngliche Gesetzentwurf mit den weiblichen Formen verfassungsgemäß war. Das generische Femininum sei „zur Verwendung für weibliche und männliche Personen bislang sprachlich nicht anerkannt.“ Möglicherweise gelte das Gesetz dann nur für Frauen. Ein Sprecher des Innenministeriums unterstrich am Mittwoch: „Der Widerspruch gegen den vorgelegten Entwurf erfolgte aus rein formalen Gründen.“ Er drücke keine Positionierung in einer laufenden Debatte aus. Sowohl Minister Horst Seehofer (CSU) als auch seinem Haus seien bewusst, dass Sprache einem gesellschaftlichen Wandel unterliegen könne.

Diese Einwände gegen die Ursprungsfassung teile man nicht, erklärte ein Sprecher des Justizministeriums. Man wolle das Gesetz aber zügig vorantreiben und habe es deswegen überarbeitet. Er stellte die weiblichen Formulierungen im vorigen Entwurf nicht ausdrücklich als Bemühen um sprachliche Geschlechtergerechtigkeit dar. Vielmehr führte er aus, es gehe im Insolvenzrecht überwiegend um Gesellschaften, also etwa GmbHs oder Aktiengesellschaften, deren grammatisches Geschlecht weiblich sei. 

Bedauern über die Änderungen äußerten insbesondere Vertreter von Linken und Grünen. „Dennoch, der Anfang vom Ende um das generische Maskulinum bei Formulierungen von Gesetzen und parlamentarischen Schriften ist eingeleitet“, frohlockte die frauenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Ulle Schauws. „Gesellschaftliche Veränderungen müssen sich abbilden. Und rein männliche Bezeichnungen sind von gestern.“ Die frauenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Cornelia Möhring, merkte an: „Der Kritik von Frauen am generischen Maskulinum wurde stets entgegnet, dass Frauen mitgedacht würden. Wenn dem so wäre, dürfte das generische Femininum ja kein Problem sein, denn hier sind Männer mitgedacht. Die Aufregung um die weibliche Form, in der der Gesetzentwurf verfasst ist, zeigt, was Feministinnen schon immer sagen: Mitgemeint sein reicht eben nicht.“

„Sprache sollte auch in Gesetzestexten diskriminierungsfrei sein“

FDP-Fraktionsvize Stephan Thomae unterstrich: „Sprache sollte auch in Gesetzestexten diskriminierungsfrei sein.“ Es sei aber absehbar gewesen, dass „Lambrechts Testballon“ platzen würde. „Die Grundsatzentscheidung hierzu kann aber nicht beiläufig im Zuge einzelner Gesetzesentwürfe getroffen werden.“

Die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Katja Mast sagte, eine geschlechtergerechte Sprache sei zwar wichtig. „Noch wichtiger als Formulierungen sind konkrete Fortschritte in der Gleichberechtigung der Geschlechter.“ 

Lambrecht nannte die Novelle einen „Meilenstein für einen fortschrittlichen und effektiven Rechtsrahmen zur Unternehmenssanierung“. Sie stellte in Aussicht: „Gerade auch Unternehmen, die aufgrund der Covid-19 Pandemie unverschuldet ins Straucheln geraten sind, aber über ein überzeugendes Geschäftsmodell verfügen, werden von den Neuerungen profitieren können.“ Geplant ist, dass Unternehmen, die eine Mehrheit ihrer Gläubiger von ihren Sanierungsplänen überzeugen können, ihr Konzept dafür künftig auch ohne Insolvenzverfahren umsetzen können. Der Bundestag muss den Neuerungen noch zustimmen.

Martina Herzog / DPA / wue

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