Inhaltsverzeichnis
Auftritt, Schattenkandidat! Friedrich Merz bei „Maischberger“ in der ARD, ein „Kanzlerkandidat in spe“, wie ihn Gastgeberin Sandra Maischberger ankündigt. Wie es passieren konnte, dass Annegret Kramp-Karrenbauer dem kantigen Sauerländer beim Hamburger Parteitag den CDU-Vorsitz und damit gemäß der üblichen Parteiabläufe auch die Kanzlerkandidatur wegschnappte, darauf haben viele in der Union bis heute keine Antwort. Dass AKK selbst der Grund gewesen sein könnte, daran verschwendet auch Merz offenbar keinen Gedanken: „Ich war an dem Tag einfach nicht gut genug in Form“, erinnert er sich, „kann ja passieren.“ Der Applaus des Publikums ist ihm sicher – nicht zum einzigen Mal an diesem Abend.
Dass die aktuelle Schwäche der CDU-Chefin, ihr Zurückfallen hinter die Grünen, ihm (unverhofft) eine Chance eröffnet, doch noch den Weg ins Kanzleramt zu finden, liegt auf der Hand. In Umfragen, welcher CDU-Kandidat die besten Aussichten gegen einen grünen Kanzlerkandidaten Robert Habeck hätte, liegt er vorne – vor NRW-Ministerpräsident Armin Laschet und dann erst CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer. Dass er sich für den besseren Parteichef und den besseren Kanzlerkandidaten hält, das ist bei „Maischberger“ in jeder Sekunde spürbar. Sollte man die K-Frage an ihn richten, „dann werde ich darüber nachdenken“, sagt Merz – klug genug zu betonen, dass er nicht einmal daran denke, bevor es soweit sei. „Das wäre ja was ganz Neues“, kommentiert Maischberger die Aussage.
Friedrich Merz: Ohne „alternativlos“ keine AfD
Merz fährt Breitseiten gegen seine alte Widersacherin Angela Merkel, schiebt ihr quasi die Entstehung und den Erfolg der AfD in die Schuhe. Leute wie Gauland und Co. habe man früher in der Union „domestiziert“, wird er später sagen. Genau da müsse die CDU wieder hin. Dass die Partei das unter seiner Ägide schaffen würde, hatte er schon während der Kandidatenkür vor der AKK-Wahl zu verstehen gegeben. Jetzt klingt es unüberhörbar an.
Was das Publikum, wohl auch die Wähler, an Merz fasziniert, wird bei „Maischberger“ deutlich. Seine Sprache wirkt klar, selbst wenn die Aussagen schwammig bleiben. Er wirkt selbstbewusst und entspannt, obwohl häufig eine deutliche Spur Arroganz durchscheint. Typ Macher. Zweifel jedenfalls quälen Merz kaum. Als Sandra Maischberger ihn damit konfrontiert, dass es Misstrauen „in weiten Teilen der Bevölkerung“ gegen den BlackRock-Aufsichtsratschef als „Teil dieses Wirtschaftskapitalismus“ geben könnte, antwortet er: „Wenn es das tatsächlich gäbe, ist ihnen denn dann jemand, der hoch verschuldet ist, lieber? So, dann müssen wir über diese Frage mal diskutieren.“ Leises Raunen im Publikum.
Sehen Sie die komplette Sendung „Maischberger. Die Woche“ in der ARD-Mediathek.
Dann bewirbt Merz sich doch noch
Zum Schluss bewirbt sich Merz doch noch offen für ein Amt in der Politik – indem er die Frage beantwortet, warum er sich eben jene Politik noch antun wolle, wo er doch längst alle Schäfchen im Trockenen habe. „Meine Antwort ist ganz einfach“, beteuert Merz, „ich habe drei Kinder und vier Enkelkinder und ich stelle mir die Frage, was machen die eigentlich in 20 oder 30 Jahren, wenn sie feststellen, dass wir in dieser Zeit, in der wir heute leben, so viele Fehler gemacht haben. Und ich möchte denen in 20 oder 30 Jahren sagen können: Ich habe es wenigstens ernsthaft versucht zu korrigieren.“
Auch dafür gibt es Applaus. Ebenso wie zuvor schon für einige seiner Standpunkte.
Friedrich Merz über …
… über den Merkel-Begriff „alternativlos“:
Ein Wort, „das ich überhaupt nicht teile. In der Demokratie gibt es für jeden und alles eine Alternative. Meistens bessere, manchmal schlechtere, aber es gibt immer Alternativen.“ [Applaus des Publikums]
… über die CDU:
„Wir haben in der Zeit, wo wir die Konservativen oder auch die national Denkenden in der CDU gebunden haben, auch ein bisschen deren Sprache diszipliniert und sie ein wenig domestiziert auch. Und das gelingt im Augenblick nicht mehr, und das ist eine, wie ich finde, für dieses Land fatale Entwicklung.“
… über die CDU als Juniorpartner einer grün-schwarzen Koalition:
(windet sich) „Ui … Da würde ich mich verdammt unwohl fühlen.“ (lächelt) Vorschlag Sandra Maischberger: „Sie hätten auch sagen können, ‚da würde ich die Union nicht sehen.“ Merz: „Einverstanden. Dann nehme ich die Antwort.“ (lacht) [Applaus]
… die SPD:
„Für die SPD ist die Frage, ob Volksparteien noch eine Zukunft haben, fast beantwortet – und das sage ich ohne jede Schadenfreude. Es tut uns nicht gut, dass die SPD in einer so desolaten Verfassung ist. Sie ist mit 13 Prozent keine Volkspartei mehr, es wäre besser, sie wäre eine geblieben. Und es gibt Beobachter, die sagen, Volksparteien gibt es nur im Plural.“
… die AfD:
„Diese AfD gäbe es auch vom Namen her gar nicht, wenn nicht dieses Wort „alternativlos“ [von Angela Merkel] in die deutsche Politik eingeführt worden wäre. Der Gründungsname dieser Partei ist eine unmittelbare Reaktion auf dieses Wort.“
… eine Koalition mit der AfD:
„So lange eine Partei wie die AfD rechtsradikale, unappetitliche Leute in ihren Reihen duldet und sie auch strategisch fördert, weil sie sie braucht, um das Potenzial nach rechts auszuschöpfen, kommen sie als Koalitionspartner aus meiner Sicht nicht infrage.“
… eine All-Parteien-Koalition gegen die AfD in Sachsen:
(wiegt den Kopf) „Es wäre besser, wenn es ohne ginge. Aber das wird das Wahlergebnis am Abend des 1. September zeigen, ob es möglich ist.“
… All-Parteien-Koalition vs. Koalition mit AfD in Sachsen:
„Ich würde nicht gerne vor diese Alternative gestellt. (…) In dieser schönen Stadt Görlitz war eine solche Kraftanstrengung notwendig, um das zu schaffen, da war es richtig. Ob es in Sachsen und danach Brandenburg – ein ähnlicher Fall – notwendig wird, wird man sehen.
… das Gauck-Zitat „erweiterte Toleranz in Richtung rechts“: „Ja, das unterschreibe ich, mit einer Einschränkung: (…) Dass Gesellschaften nicht zu tolerant werden dürfen, was die Toleranz gegenüber Intoleranz betrifft. (…) Es gibt Grenzen der Toleranz auch in einer toleranten Gesellschaft. Diejenigen, die konservativ denken, die gehören dazu, aber diejenigen, die rechtsradikal sind, gehören nach meinem Gefühl zu diesem Verfassungsbogen unserer Toleranz, unseres Grundgesetzes nicht dazu.“
… Mitschuld der AfD am Lübcke-Mord:
„Das teile ich (…). Wir haben es mit einer fatalen Verrohung der politischen Sprache und der Umgangsformen zu tun, und dort, wo Sprache verroht, verrohen Umgangsformen, und dort, wo Umgangsformen verrohen, geschehen politische Anschläge.“
… eine verpflichtende Altersvorsorge durch Aktien-Kauf:
„In Holland ist das so, und die Holländer verfügen über eines der besten Altersversorgungssysteme der Welt. Da ist es verfplichtend, die Holländer müssen das machen, sie müssen kapitalgedeckte Altersversorgung aufbauen (…) und haben eine sehr stabile Altersversorgung aus mehreren Elementen (…). Wir sind mit Freiwilligkeit in Deutschland leider nicht sehr weit gekommen.“
… eine CO2-Steuer für Deutschland:
„Im Augenblick unglaubwürdig.“
… eine Widerwahl von Donald Trump als US-Präsident:
„Es wird sich fortsetzen, was wir in den vergangenen Jahren erlebt haben, und es ist nicht unwahrscheinlich. (…) Wir erleben mit Trump das Ende der Nachkriegsordnung und sind auf dem Wege in ein 21. Jahrhundert mit einer völlig neuen globalen Ordnung.“
… die Chancen der US-Demokraten, Trump zu schlagen:
„Es gibt wahrscheinlich in Amerika einen Kandidaten, der das Zeug hätte, ihn zu schlagen, das ist Joe Biden. Aber Joe Biden ist für die demokratische Partei zu konservativ und wahrscheinlich wird er (…) nicht nominiert. Wenn er nominiert würde, hätte er das Zeug dazu – vor allem, wenn er eine gute Mitbewerberin als Vize-Präsidentenkandidatin hätte, zum Beispiel Kamala Harris aus Kalifornien – das Gespann wäre für Trump wahrscheinlich sehr gefährlich.
… Boris Johnson als britischer Premier:
„Die Fortsetzung der Demontage einer der ältesten Demokratien der Welt.“
Mehr zur CDU sowie ein Psychogramm der CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer lesen Sie im aktuellen stern:
Posts aus derselben Kategorie:
- Klarer Sieg für Friedrich Merz bei CDU-Mitgliederentscheid
- Parteitag in Berlin: Friedrich Merz als CDU-Chef bestätigt, nur Generalsekretär Linnemann ist beliebter
- CDU: Linnemann zur K-Frage in der Union: „Friedrich, Du musst das machen“
- Maischberger: Kühnert über möglichen Nahles-Ricktritt: „Es interessiert mich einen Scheiß“
- Grüne als „Hauptgegner“: Merz‘ Kampfansage findet (nicht überall) Anklang