Anna Poliatova (Sasha Luss) lebt 1985 in Moskau ein Leben, das nur dem Überleben dient. Als sie 17 war, kamen ihre Eltern bei einem Autounfall um, sie musste ihre Ausbildung bei der Marine aufgeben und landete auf der Straße. Dort las Petyr (Alexander Petrow) sie auf und ließ sie bei sich wohnen. Der Kleinkriminelle nutzt ihre Hilflosigkeit aus, führt sie in die Welt der Drogen ein und fragt sie nach üblem Gerammel auf dem Küchentisch, ob es für sie auch schön war – um sich direkt danach zu beschweren, dass Anna nicht abgewaschen und eingekauft hat. Seine Wohnung ist ein heruntergekommenes Loch. Mitte der Achtziger sind die beiden nicht die einzigen Sowjetbürger in der herabgewirtschafteten Acht-Millionen-Metropole, die Hunger haben.
Annas (dortiges) Martyrium endet, als sie in den sowjetischen In- und Auslandsgeheimdienst KGB eintritt. Sie lässt sich darauf unter der Bedingung ein, dass sie nach fünf Jahren frei ist – das ist ihr einziges Ziel. Um frei zu sein, würde sie und wird sie alles tun. Allerdings ahnt Anna nicht, dass man dem KGB keine Bedingungen stellt.
Ein Hauch von Wärme in einer eiskalten Welt
Mit „Anna“ serviert Luc Besson seinem Publikum einen klassischen Agententhriller, der auf dem bewährten „Nato vs. Warschauer Pakt“-Konflikt basiert. Die Amerikaner bespitzeln die Russen und umgekehrt, wie in einem guten alten „James Bond“. Doch jeder, der Bessons „Nikita“ (1990) oder „Léon – Der Profi“ (1994) gesehen hat, weiß, dass der 60-Jährige selbst bei noch so klaren Plots ohne Klischees auskommt. Für „Anna“ bedeutet das, dass die Protagonistin zwar superblond, superblauäugig, superschlank, superhübsch und superschlau ist, die Figur aber dennoch Charakter und Seele hat. Anna arbeitet in Paris als Supermodel und wird zur abgebrühtesten Killerin des KGB … bis die CIA sie schnappt.
Die Lehrstunden darin, sich selbst zu schützen und niemandem zu vertrauen, erhält Anna von Olga (Helen Mirren). Die knallharte Ausbildung, die Olga einst selbst beim KGB genossen hat, lässt sie auch ihrem jüngsten Zögling angedeihen. Doch mit der Zeit, Anna muss von ihren Einsätzen regelmäßig nach Moskau zurück, gewinnt Anna Olgas Respekt – und ihr Herz. Olga und die „Tochter, die sie nie hatte“ beschließen einen Deal.
Die Besetzung von „Anna“ ist nicht nur ein optischer Genuss. Offenbar war es eine gute Idee, die drei wichtigsten Frauenrollen mit Darstellerinnen zu besetzen, die Russland im Blut haben. Die Golden-Globe- und Oscar-prämierte Helen Mirren, 72, ist britische Schauspielerin mit russischen Wurzeln. Sasha Luss, 27, die in „Anna“ ihre erste Hauptrolle spielt und in Luc Bessons „Valerian – Die Stadt der tausend Planeten“ (2017) als Prinzessin Lïhio-Minaa ihr Filmdebut hatte, kam in der russischen Hafenstadt Magadan zur Welt und wuchs später in Moskau auf. Maud, Annas Freundin und Geliebte, spielt Lera Abova, ein russisches Model.
Luc Besson hat das Genre des Agententhrillers nicht neu erfunden, aber um einen lohnenswerten Film bereichert. Er liefert, was man von der Welt der Spione und der staatlich beauftragten Killer sehen will: Speed, Sex, eine spannende Story – und noch ein bisschen mehr.
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