Migrationsdebatte: Jens Spahn will Geflüchtete zur Abschreckung nach Ruanda oder Ghana bringen – ganz so einfach ist das allerdings nicht

Migrationsdebatte Jens Spahn will Geflüchtete zur Abschreckung nach Ruanda oder Ghana bringen – ganz so einfach ist das allerdings nicht

Unionsfraktionsvize Jens Spahn

Unionsfraktionsvize Jens Spahn im Bundestag

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CDU-Politiker Jens Spahn plädiert in einem Interview dafür, Geflüchtete in Drittländer außerhab der EU zu bringen. Das ist kein neuer Vorschlag – und einfach umzusetzen ist das Vorhaben auch nicht.

Nun auch Jens Spahn: Der Vizevorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag plädiert in einem Interview mit der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ dafür, irregulär in die Europäische Union Geflüchtete „binnen 48 Stunden“ in einen sicheren Nicht-EU-Drittstaat abzutransportieren, um dort ein Asylverfahren und im Falle einer Schutzgewährung eine Bleibeperspektive zu bekommen. Spahn ist sicher, dass sich unter den von ihm skizzierten Voraussetzungen viele Menschen gar nicht mehr auf den Weg in Richtung Europäische Union machen würden. Das Ziel: Abschreckung. „Wenn wir das vier, sechs, acht Wochen lang konsequent durchziehen, dann werden die Zahlen dramatisch zurückgehen“, ist er sicher.

Diese Drittstaatenlösung ist kein neuer Vorschlag, er bildet den Kern des Migrationskonzeptes im am vergangenen Montag vorgelegten Entwurf des neuen CDU-Grundsatzprogramms. Spahns Parteikollegen aber auch Politiker außerhalb der Union brachten ihn in der Vergangenheit immer mal wieder an. Spahn hält ihn mit Blick auf die Genfer Flüchtlingskonvention für konform. Dort stehe nicht, dass Schutz vor Kriegsverfolgung in der EU gewährt werden müsse, betonte der Ex-Gesundheitsminister. Ob diese Interpretation rechtlich zutrifft, werden wohl Gerichte prüfen müssen.

Drittstaatenlösung: Partnersuche dürfte nicht einfach werden

Ganz so einfach dürfte die Umsetzung ohnehin nicht werden. Die britische Regierung etwa versucht bereits seit Jahren, Asylbewerber zur Bearbeitung ihres Antrags ins ostafrikanische Ruanda zu schicken. Ein geplanter Abschiebeflug im Juni vergangenen Jahres wurde vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gestoppt, der Oberste Gerichtshof des Vereinigten Königreichs in London hatte den Ruanda-Plan der Regierung im November 2023 für rechtswidrig erklärt. Die Sicherheit der Schutzsuchenden könne in Ruanda nicht gewährleistet werden, hieß es unter anderem zur Begründung. Premier Rishi Sunak hält weiter an den Plänen fest.

Ruanda ist auch einer der Partner, die Spahn ins Gespräch brachte: „Ruanda wäre wohl dazu bereit, Ghana möglicherweise auch“, sagte er. Außerdem solle mit osteuropäischen Ländern wie Georgien und Moldau gesprochen werden. Die Partnersuche dürfte sich neben den rechtlichen Bedenken und hohen Kosten jedoch als eine der großen Schwierigkeiten bei der Umsetzung erweisen. Partnerstaaten erwarten attraktive Angebote, um die Herausforderungen zu übernehmen, die Europa nicht mehr schultern kann oder will. Eine Einigung müsse auch für die Menschen im Partnerland von Interesse sein, sagte Migrationsforscher Gerald Knaus in der „Süddeutschen Zeitung“. Ein Plan nach dem Muster „wir geben Ländern viel Geld, und dann funktioniert das“ gehe nicht auf. 

Lesetipp zum Thema: Alle Jahre wieder kommt in der deutschen Migrationspolitik eine Idee auf: Warum Asylverfahren nicht im EU-Ausland abwickeln? Das Ruanda-Modell: Was es bedeutet und wie es funktioniert

Quellen: „Neue Osnabrücker Zeitung“,„Süddeutsche Zeitung“

In der Galerie: Der letzte EU-Gipfel des Jahres soll unter anderem über Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine entscheiden. Sicher ist bereits: Das Land muss sich gedulden – für die meisten Bewerber geht es seit Jahren nicht weiter. Ein Überblick.

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