Messenger: Erstes Android-Smartphone mit Apples iMessage – warum das keine gute Idee ist

Messenger Erstes Android-Smartphone mit Apples iMessage – warum das keine gute Idee ist

Nothing Phone Android iMessage iPhone Apple

Android und iOS vertragen sich nicht – und Apple hat eigentlich kein Interesse daran, den iPhone-Messenger iMessage für andere Plattformen zu öffnen.

© Nothing / PR

Es ist eine kleine Revolution: Nothing bietet als erster Smartphone-Hersteller trotz Android-Betriebssystem fast vollen Zugriff auf Apples Instant-Messaging-Dienst iMessage. Ganz ungefährlich ist die Umsetzung allerdings nicht.

„Wir haben iMessage für Android gemacht“ – mit dieser Ankündigung überraschte der Smartphone-Hersteller Nothing kürzlich die Tech-Welt. Es ist tatsächlich ein Novum, dass ein Unternehmen dieses Tabu bricht und versucht, Apples Exklusivität von iMessage für das iPhone zu beenden. Dass es technisch möglich ist, ist länger bekannt – bisher war das allerdings nur eine Art Machbarkeitsstudie ohne nennenswerte Verbreitung in der Android-Welt.

Der Grund, warum Nothing diesen Schritt geht, ist wohl die Hoffnung auf Wachstum. Denn für Android-Smartphones ist es insbesondere in den USA inzwischen recht schwierig, Fuß zu fassen. Das liegt daran, dass 87 Prozent der Jugendlichen und 50 Prozent der gesamten US-Nutzerschaft auf ein iPhone setzen. Die Kommunikation, anders als in Europa oder Asien, läuft dort hauptsächlich über Apples Messenger iMessage. 

Das hat zur Folge, dass man mit einem Fremdsystem schnell außen vor ist. Was in der Erwachsenenwelt vielleicht noch hinnehmbar ist, gleicht für Jugendliche einer Katastrophe. Also muss es ein iPhone sein – das freut Apple, aber macht es Unternehmen wie Nothing schwer.

Nothing unterstützt iMessage nur über Umwege

Technisch muss Nothing allerdings Umwege gehen, um iMessages send- und empfangbar zu machen – und das ist nicht ungefährlich. Denn natürlich hat Apple für den kleinen Hersteller keine Ausnahme gemacht und iMessage erstmals exklusiv geöffnet. Nothing setzt auf einen Drittanbieter namens Sunbird. 

Dabei handelt es sich um einen Dienstleister, der iMessage-Inhalte weiterleitet. Wie genau, hat selbst das Fachmagazin „Arstechnica“ bisher nicht vollständig entschlüsseln können. Fakt ist, dass Dienste wie Sunbird – oder auch eine Alternative namens Beeper – die Login-Daten für die Apple ID zwingend benötigen. Vereinfacht erklärt wird mit den Login-Daten ein Mac angemeldet, der irgendwo auf der Welt steht. Danach leitet dieser Rechner sämtliche Nachrichten an die Android-Smartphones weiter – es entsteht der Eindruck, dass man iMessage auf den Geräten nutzen kann. Tatsächlich schickt man sie aber über Bande und hat keine Kontrolle über den Rechner, auf dem das eigene Konto angemeldet ist. Sunbird und Co. werben um Vertrauen – mehr Sicherheit bekommt man nicht.

Das ist mit einigen Risiken verbunden. Denn die Apple-ID gewährt nicht nur Zugriff auf iMessage, sondern alle Dienste, die damit zusammenhängen. Das sind Mails, Dokumente, Fotos, Kontakte, Wo-ist-Standorte, Kalender und vieles mehr. Jemand, der uneingeschränkten Zugriff auf diese Konten hat, kann sich theoretisch ungestört umsehen und unbemerkt Daten abschöpfen. Immer wieder warnt Apple vor der Weitergabe der ID – und bei Apps wie Beeper und Sunbird soll man es plötzlich bedenkenlos tun.

Dass Sunbird – oder Beeper – die Zugänge nicht missbrauchen, versichern selbstverständlich beide Unternehmen. Doch während Beeper eine quelloffene App ist, die man sogar auf einem eigenen Mac laufen lassen kann, gibt sich Sunbird deutlich verschlossener. Hinzu kommt, dass Beeper mit einem kostenpflichtigen Abo einigermaßen transparent macht, wie das Unternehmen Geld verdienen will.

Sunbird hingegen, der Partner von Nothing, schreibt zu der Frage, ob der Dienst etwas kosten werde: „Sunbird wird auf absehbare Zeit kostenlos sein, das ist die Hauptsache. Wir haben keinen Grund, jetzt kostenpflichtige Abonnements einzuschalten, wenn man unser aktuelles Ziel betrachtet. Im Moment haben wir nur ein Ziel vor Augen: iMessage auf Android für Millionen von Nutzern verfügbar zu machen. Lasst uns zuerst die Welt verbinden!“ Klingt idealistisch, sieht aber für ein Unternehmen nach keinem besonders guten Geschäftsmodell aus.

Was wird Apple tun?

Völlig offen bleibt derweil, ob Apple gegen diesen Vorstoß vorgeht und dem Spuk schnellstmöglich ein Ende bereitet. Dann hätte man seine Apple ID weitergereicht, aber erhält trotzdem keinen Zugriff mehr auf iMessage über Android. Unklar ist derzeit auch, ob Apple die weitergereichten Konten aus Sicherheitsgründen sperrt. Der Aufwand für Betroffene, sich den Zugang zurückzuholen, sollte nicht unterschätzt werden.

Um Erlaubnis haben Sunbird und Nothing jedenfalls offenbar nicht gebeten. Gegenüber der „Washington Post“ erklärt Nothing-Gründer Carl Pei: „Es gibt nichts Illegales an dieser Einrichtung. Ich denke, dass alles, was wir tun, innerhalb von Cupertino weitergegeben wird, aber wir sind so klein, dass es wirklich schlecht aussehen wird, wenn Apple etwas unternimmt.“

Der neue Nothing-Dienst sollte also nur dann überhaupt in Erwägung gezogen werden, wenn beispielsweise eingefleischte Android-Nutzer, die bisher keine Apple ID hatten, sich ausschließlich für die Nachrichtenweiterleitung ein Konto anlegen. Sollte man seit Jahren die privatesten Daten bei Apple speichern, aber kein iPhone nutzen, empfiehlt sich der Login eher nicht.

Quellen: Nothing, Arstechnica, The Verge, Washington Post

Posts aus derselben Kategorie: